Im Architekturzentrum Wien lässt sich die Geschichte des Eigenheimtraums mit Garten, Garage und Swimmingpool seit seiner Entstehung in den US-amerikanischen Vorstädten nacherleben. „Suburbia“ wirft einen kritischen Blick auf das Phänomen „Einfamilienhaus“ und analysiert die Widersprüche dieses Lebensideals mit seinen ökologischen und sozialen Folgen, den Auswirkungen auf unsere Umwelt durch gewaltigen Flächenfraß, Versiegelung und Leerstand. Zu sehen ist dabei auch, wie diese beliebte Wohnform die ganze Welt erobert hat.
American Dream
Die US-amerikanische Unterhaltungsindustrie (man denke nur an zahlreiche TV-Serien von den 1960ger Jahren wie „Bezaubernde Jeannie“ bis heute „Desperate Housewives“, 2004-2012), Politik und Wirtschaft förderten lange Zeit die Wohnform des Einfamilienhauses, die wir heute mit Zersiedelung assoziieren. Angelika Fitz, die Direktorin des AzW erklärt, dass mit diesem System eigentlich die geschlechtsspezifische und ethnische Segregation gefördert wurde, mit dem einst gängigen Bild der Hausfrau, die mit der Beschäftigung mit Haushalt und Kindern betraut, brav mit dem Abendessen und einem Drink auf die abendliche Rückkehr des arbeitenden Ehemannes wartet.

Nachdem man in der Vergangenheit vor allem in ländlichen Regionen im Bauernhof, in der Stadt im Mietwohnhaus oder Gemeindebau lebte oder in den 1920gern in klassischen Satteldachhäuschen in Siedlungsformation, wurde nach dem zweiten Weltkrieg die amerikanische Ideologie des Einfamilienhauses intensiv propagiert und mit finanzieller Unterstützung auch der Baubranche nahgelegt. So entstand etwa die Mustersiedlung Veitingergasse im 13. Wiener Gemeindebezirk von Carl Auböck und Roland Rainer in den Jahren 1952 bis 1954. Errichtet vom Österreichischen Produktivitätszentrum u. a. mit Unterstützung der Amerikanischen Wirtschaftsmission aus Mitteln des Marschallplans wollte man damit in Österreich die Produktion günstiger Serienhäuser einleiten und versuchen, diese Wohnform zu fördern. Die damals auf gemeindeeigenem Pachtgrund errichteten Holzfertighäuser werden auch noch heute bewohnt. Es blieb allerdings bei diesem ersten und einzigen Versuch der auf diese Weise geförderten ebenerdigen Wohnens, denn Wiens Stadtverwaltung wollte anstelle von Einfamilienhaussiedlungen lieber große soziale Wohnbauten umgesetzt wissen.

Foto: USIS
Bodenfraß und Leerstand
Einer aktuellen Studie der Universität für Bodenkultur in Wien zufolge hat sich von 1970 bis 2020 der Anteil der zersiedelten Fläche in Österreich verfünffacht – vor allem durch freistehende Einfamilienhäuser, großflächige Gewerbegebiete und Einkaufszentren. Und angesichts des dennoch scheinbar ungebrochen von vielen weiterhin erstrebenswerten Traums vom Einfamilienhaus am Stadtrand stellt sich die Frage, was mit dem aktuellen Bestand von aktuell 1,5 Millionen österreichischen Einfamilienhäusern in Zukunft geschehen soll. Vor allen mit jenen, die etwa in den 1960er für eine große Familie errichtet, mittlerweile nur mehr die noch dort verbliebenen Eltern beherbergt und die Hälfte des Hauses leer steht. Denn wie die Ausstellung lehrt, wohnen in 47,8% aller Einfamilienhäuser maximal 2 Personen. In 10% ist sogar niemand gemeldet.
Kluge Lösungen
Das AzW zeigt eine ganze Reihe von Best-Practice-Beispielen für eine kluge zukünftig veränderte Nutzung. Hierbei wird aufgezeigt, wie Einfamilienhäuser mit unnötig großer Wohnfläche adaptiert werden können, etwa zum Mehrgenerationenhaus, zum Mietwohnhaus oder etwa zum Kindergarten.
Von Philipp Engel für das CCCB (Centre de Cultura Contemporània de Barcelona) kuratiert, wurde die Ausstellung für das Az W adaptiert und mit einem Österreichschwerpunkt erweitert, denn auch hierzulande träumt ein Großteil auch junger Menschen davon, ihr ganz persönliches Traumhaus am Stadtrand zu verwirklichen. Verkehrsflächen zerstören somit nach wie vor die Landschaft, die rasant und stetig weitergehende Versiegelung bedroht Biodiversität und Ernährungssicherheit, mit der Folge, dass Ortskerne veröden und Bewohner:innen einer alternden Gesellschaft unweigerlich mehr und mehr in die Isolation schlittern. An vielen Orten prägen halbverwaiste, in die Jahre gekommene Wohnhäuser und Siedlungen die Landschaft. Eben hier wäre es klug, anstatt neu zu bauen, neue Nutzungen für den Bestand zu finden.
Fotografien, Filme und Alltagsgegenstände erzählen die Geschichte des einstigen Verkaufsschlagers Einfamilienhaus. Die Ausstellung „Suburbia“ lädt dazu ein, ernsthaft über die Zukunft dieser Wohnform nachzudenken.
Mit zahlreichem historischen Material, Fotos, Filmen, Literatur, künstlerischen Arbeiten sowie Alltagsgegenständen illustriert „Suburbia“ die Geschichte des Verkaufsschlagers Einfamilienhaus und lädt dazu ein, sich über die Zukunftsaussichten dieser Wohnform Gedanken zu machen.
Suburbia – Leben im amerikanischen Traum
bis 4. August 2025
Architekturzentrum Wien
www.azw.at