Zum ersten Mal wurde der ZV-Bauherr:innenpreis 1967 verliehen. Als einzige Auszeichnung Österreichs bewertet er seither alljährlich nicht nur das Werk der Architekt:in sondern auch Engagement und Mut der Bauherr:in und fordert damit „eine erweiterte Sicht auf Architektur explizit ein“, wie die Jury hervorhebt.
„Diese erweiterte Perspektive hat ihre Aktualität nicht eingebüßt“, heißt es weiter. „Auch in der aktuellen Ausgabe steht der Preis für die Überzeugung, dass Architektur ihre gesellschaftliche Relevanz am wirksamsten in einer Kultur des Dialogs entfalten kann, in der sich die Vorstellungen von Auftraggeber:innen (bzw. Nutzer:innen) und die konkreten Planungsleistungen von Architekturschaffenden gegenseitig stärken“, ist im Resümee der Hauptjury zu lesen.
Die diesjährigen Gewinner:innen des ZV-Bauherr:innenpreises wurden am 15. November 2024 in der Kitzmantelfabrik Vorchdorf in Oberösterreich feierlich ausgezeichnet. Aus insgesamt 119 Einreichungen wurden 23 Projekte durch Nominierungsjurien in den Bundesländern ausgewählt. Die Hauptjury – Gabriele Kaiser (Architekturpublizistin, Wien), Armin Pedevilla (Architekt, Bruneck) und Yves Schihin (Architekt, Zürich) ermittelte in der Folge daraus die diesjährigen Preisträger:innen.
Das Engagement aller Preisträger:innen für eine qualitätsvolle Baukultur sei beispielhaft und nachahmenswert, meint auch das Präsidium der Zentralvereinigung der Architekt:innen Österreichs Veronika Müller (Oberösterreich), Birgit Schiretz (Steiermark) und Wolfgang Ritsch (Vorarlberg) – in seinem Statement. Und sagt weiter: „Die prämierten Projekte sind nicht nur architektonisch überzeugend, sondern jedes – auf seine ganz eigene Art – auch zukunftsweisend und nachhaltig. Die Projekte demonstrieren, wie Bauherr:innen und Architekt:innen gemeinsam Herausforderungen meistern und neue Standards setzen. Die prämierten Projekte sind nicht Selbstzweck, sondern liefern auf unterschiedliche Weise einen Mehrwert für die Gesellschaft, die Umwelt oder die Baukunst, kurzum für die Baukultur“.
Mit dem Bauherr:innenpreis der ZV werden herausragende Bauten, Freiraumgestaltungen und städtebauliche Lösungen der letzten drei Jahre, gewürdigt, die sich besonders durch die intensive Zusammenarbeit von Bauherr:innen und Architekt:innen auszeichnen. Ein Großteil der mehr als 300 bisher ausgezeichneten Bauwerke wurde zum fixen Bestandteil österreichischer Architekturgeschichte jüngerer Vergangenheit.
Ausgezeichnet wurden die folgenden Projekte:
Einfamilienhaus
Ein Einfamilienhaus mit Schilfdach in Weiden am See, 1922 fertiggestellt gehört zu den Preisträger:innen. Der Bauherr selbst ist passionierter Schilfschneider und Schilfdachdecker in zweiter Generation und möchte durch seinen Versuchs- und Demonstrationsbau einem regional tief verwurzelten Handwerk zu mehr Ansehen verhelfen. Mit seinem Handwerk möchte er dazu beitragen, ein schönes, nützliches und natürliches Material auch in Österreich wieder mehr zu verbauen, um zu erreichen, dass Schilf nicht weiterhin bis zu 95 Prozent in andere Länder exportiert wird. Außerdem sollte das eigene Haus, errichtet in einer Einfamilienhaussiedlung in Weiden, das innovative Potenzial eines frei geformten Schilfdachs in zeitgemäßer Anwendung demonstrieren. Weiters sollte das Haus klein sein, wenig Aushub benötigen und aus Holz errichtet werden. Viel Tageslicht im Wohnraum, kompakte Nebenräume sowie eine Hülle aus Eichenholz sind die wichtigsten unspektakulären Gestaltungselemente. Selbst die Dachkonstruktion ist überraschend einfach, denn die parallel angeordneten Sparren verlaufen linear von der zentralen Firstachse zu den beiden s-förmigen Trauflinien.
Kulturzentrum
Ein weiterer Preis ging an das Drauforum Oberdrauberg. Die Qualität dieses außergewöhnlichen Überbauungs-Projekts ist der Weitsicht der Bauherr:in zu verdanken. Voraussetzung für die Umsetzung war jene durch die Gemeinde vor einigen Jahren erfolgte Sicherung des Baurechts auf dem Dach des bestehenden Supermarkts. Zwar erfüllte der Supermarkt die Aufgabe eines Nahversorgers, leistete jedoch keinerlei baukulturellen Beitrag zur Ortskernbelebung und nahm keinen angemessenen Bezug zur bestehenden historischen Zeilenstruktur. Dem schon lange gehegten Wunsch nach einem eigenen Kulturzentrum mit Veranstaltungssaal wurde mit der Ausschreibung eines Architekturwettbewerbs entsprochen. Dem Sieger:innenprojekt gelang das Kunststück, sowohl das historische Umfahrerhaus als auch den architektonisch anspruchslosen M-Preis-Supermarkt in einen identitätsstiftenden Bebauungsvorschlag zu integrieren. Um den Veranstaltungsaal auch optisch an das Ortsbild anzupassen, wurde das hier zu findende Ziegel-Gitterwerk der traditionellen Stadel als Schutz vor der Südsonne und der stark befahrenen Straße eingesetzt. Dieses vertraute Element prägt nun die Fassade und verleiht dem Saal seine ganz besondere Anmutung.
Mehrfamilienwohnen
Das Wohnprojekt „Die Auenweide“ wurde ebenfalls mit dem Bauherr:innenpreis geehrt und wird zum Präzendenzfall für gemeinschaftliches Wohnen im ländlichen Raum, der zeigt, dass leistbares Wohnen, Vielfalt in der Typologie und höchste ökologische Standards längst kein Widerspruch mehr sein müssen. Von Beginn an war man sich in der Baugruppe einig, dass der Charakter der Auenlandschaft, gewahrt werden sollte. Es gelang dank dichter Bebauung ein etwa 1.200 m2 großes Waldstück, das ein Fünftel des Grundstücks einnimmt, zu erhalten. Die um einen Grünraum gruppierte Siedlung mit acht Mehrfamilienhäusern und zwei organisch geformten Gemeinschaftsbauten lassen durch ihre lockere Anordnung an historische Dorfstrukturen denken. Errichtet wurden die Niedrigstenergiehäuser als Holzriegelbau mit Lärchenholzschalung, Wände und Dächer haben eine Einblasdämmung aus Stroh. Gut durchdacht ist auch die Stellung der Baukörper zueinander, die ein ein ausgewogenes Verhältnis zwischen zugewandten und introvertierten Räumen ermöglicht und als Ergebnis von mehr als 300 moderierten Entscheidungen im dialogischen Planungsprozess Individualität und Leistbarkeit verbindet. Ein spezielles Finanzierungskonzept über einen Vermögenspool 650.000 Euro, womit der Verein das Grundstück erwerben und anschließend das gesamte Bauvorhaben finanzieren konnte.
Bildung – Kinder
Das Kinderkunstlabor ist der erste Bau dieser Art. Es ist weder ein herkömmliches Kindermuseum noch ein klassisches Ausstellungshaus für zeitgenössische Kunst. Aber der zentrale Gedanke des Bauwerks ist es, Kindern Kunst zu vermitteln, auch wenn kein starres Vermittlungsprogramm eine Vorgangsweise festlegt. Ein Kunstlabor von, für und mit Kindern war bereits 2017 das Herzstück von St. Pöltens Bewerbung zur Europäischen Kulturhauptstadt 2024. Allerdings hatte man entschieden das Projekt auch umzusetzen, falls die Bewerbung abgelehnt würde.
Der Standort im Altoona-Park ermöglicht eine zentrale Poistionierung des Kinderkunstlabors zwischen Innenstadt und Kulturbezirk und einen Außenbereich zum freien Herumtoben. Auch war die Aufwertung und verstärkte öffentliche Nutzung des bis dahin vernachlässigten innerstädtischen Grünraums im EU-weit offenen Realisierungswettbewerb ein erklärtes Ziel. Die Architekten, Schenker-Salvi-Weber entwickelten einen kompakten viergeschoßigen Holzbau (mit Betonkern), dessen Grundriß sich aus einem gleichseitigen Dreieck mit gekappten Ecken und leicht nach innen geknickten Seitenwänden generiert. Um eine zentrale baumartig auskragende Betonstütze, die wie eine Radnabe im Zentrum des Ausstellungssaals steht, führen Spiel- und Sitztreppentribünen in die oberen Geschoße. Nutzung und Gestaltung der Räume –In- und Outdoorlabors, Ausstellungsflächen und Bibliothek ganz oben – wurde anhand eines Gebäudemodells in Workshops mit eigens eingesetzten Kinderbeiräten entwickelt: ein Prozess, den die Architekten sehr engagiert begleiteten.
Bildung – Erwachsene
Das Ágnes-Heller-Haus – das seinen Namen der ungarischen Philosophin und Ehrendoktorin der Universität Innsbruck verdankt – führt die zuvor verstreuten Institute der geistes-, kultur- und bildungswissenschaftlichen Fakultäten nunmehr an einem zentralen Standort zusammen und ist als integraler Bestandteil der Stadt konzipiert. Gemäß dem zentralen Anliegen der Architekten wurde der Fußabdruck auf dem Areal so klein wie möglich gehalten, sodass die kompakte Kubatur zugunsten einer frei zugänglichen Campuswiese gewählt wurde und somit ein offener städtischer Grünraum am Inn entstand.
Das kompakte Gebäude mit einer tragenden Fassade aus Stahlbetonfertigteilen folgt mit seinem Modulmaß von 4,5 Metern einem sachlichen Duktus; ein zehngeschoßiger Trakt verankert den Bau an der Straßenkante sichtbar im Stadtraum.
Die bogenförmigen Öffnungen im hellen Sichtbetonsockel werden zur einladenden Geste ebenso wie das von Peter Sandbichler im Rahmen eines Kunst-am-Bau-Wettbewerbs skulptural facettierte Riesenportal des Haupteingangs zum Eintreten einlädt. Wiesenseitig führt eine breite Grüntreppe zu den beiden eingesenkten großen Hörsälen hinunter, die Mensa im Erdgeschoß öffnet sich mit ihrem Gastgarten Richtung Inn. Das von oben belichtete Atrium ist das Herzstück des Baus, empfängt eine Kaskade vorgespannter Betontreppen und Stegen, die die Institute frei im Raum vernetzen, die Besucher:innen. Die Zusammenarbeit zwischen Bauherrin und Architekturbüro lässt sich vielleicht am besten mit dem Wort „Zusammenhalt“ charakterisieren, denn gemeinsam wurde die Coronakrise, der Konkurs des Trockenbauers und ein Starkregenereignis während der Bauzeit, die dem Projekt stark zugesetzt haben, gemeistert.
Sanfte Wiederbelebung
Das Verschwinden bäuerlicher Strukturen wird häufig beklagt, aber selten verhindert. Mit großer passion hat ein privater Bauherr im Kaunertal die Initiative für das Kulturerbe der Region ergriffen und einem brachliegenden Doppel-Paarhof neues Leben eingehaucht.
Der 1890 hangparallel über gemauertem Steinsockel errichtete Holzblockbau entspricht in seiner Anordnung zweier spiegelgleicher Haushälften der für das Tiroler Oberland typischen Realteilung in der Erbfolge, bei der ein Hof unter allen Nachkommen aufgeteilt wurde – in diesem Fall waren es zwei Söhne. Ein Nachfahre der Familie Besitzerfamilie bewirtschaftete den Hof bis 2009, danach stand er verwaist. „Ich musste Haus und Hof einfach retten“, sagt der handwerklich universal begabte Bauherr, der die Liegenschaft 2017 erwerben konnte, weil er als Fischzüchter selbst einen landwirtschaftlichen Betrieb führt. Heute birgt der Hof eine hauseigene Schnapsbrennerei im Keller, drei Ferienwohnungen im Erd- und Obergeschoß sowie die eigene Familienwohnung unter dem Dach. Der Bauherr wandte sich an Willi Buchhammer, ein Architekturbüro, von dem er viel Positives über den Umgang mit „alten Häusern“ gehört hatte. Man verstand sich auf Anhieb und holte als dritten Partner das Bundesdenkmalamt an Bord.
Bauen im Bestand
Diese Transformation einer ehemaligen Logistikhalle nimmt das Thema „Bauen im Bestand“ beim Wort. Die zweigeschoßige Holzkonstruktion steht wie ein Möbel im gegebenen Volumen, und doch hat das Implantat den Charakter der Halle, die früher als Ausstellungsfläche für die Produkte des Unternehmens und für Archivzwecke genutzt worden war, vollkommen verwandelt.
Ein unspezifischer Bestand, Raum ohne Eigenschaften, hat sich zur „neuen Bürowelt“ mit 100 Arbeitsplätzen gemausert. Kein Stück Boden musste hierzu versiegelt werden.
Die vor rund 20 Jahren errichtete Halle wäre ein sicherer Abrisskandidat gewesen, wäre nicht die Erkenntnis gereift, dass selbst Gebäude ohne hohe architektonische Qualität dennoch erhaltenswert sind und als verbaute graue Energie sinnvoll weiterentwickelt werden können. In diesem Bewahren und Weiterverwenden des Bestands wird man Baukultur künftig vermehrt als „Umbaukultur“ begreifen.