Das 1840 gegründete Unternehmen Joh. Backhausen & Söhne gilt es einer der traditionsreichsten Möbel- und Dekorstoffproduzenten Österreichs. Der ab 1903 intensiven Zusammenarbeit mit der Wiener Werkstätte und zahlreichen zeitgenössischen Künstler:innen und Protagonist:innen der Wiener Moderne ist eine reiche und kostbare Sammlung an Stoffen und Originalentwürfen zu verdanken. Nun ging das Archiv als Dauerleihgabe an das Wiener Leopold Museum.
Dem Feinsinn und Engagement der im Dezember 2022 verstorbenen Unternehmensinhaberin Louise Kiesling, die Backhausen 2014 erwarb, ist es zu verdanken, dass die einzigartige Sammlung (die seit 2022 als einzigartiges Konvolut unter Denkmalschutz steht) mithilfe des Denkmalamtes katalogisiert und digitalisiert wurde. Kieslings, durch Wertschätzung und Wissen über das österreichische Textilhandwerk geprägte, persönliche Vision hat letztlich zum Erhalt dieses musealen Konvoluts beigetragen. Mit der Entscheidung der Erben, das Archiv als Dauerleihgabe dem Leopold Museum zu überarbeiten, wird dieses somit auch der Öffentlichkeit zugänglich sein.
Kulturerbe im Rampenlicht
Gestartet wird damit in einer für November dieses Jahres geplanten Ausstellung „Poesie des Ornaments. Das Archiv Backhausen“, die Einblick in die fantastische Vielfalt der Sammlung geben soll. Ausgewählte Originalentwürfe und Stoffmuster aus der Zeit des Historismus, des Jugendstils, des Art Déco oder des Kinetismus, unter anderem Werke von Josef Hoffmann oder Koloman Moser, werden außerdem im Rahmen der „Wien 1900“ Dauerpräsentation im Leopold Museum permanent zu sehen sein. Die weltweit umfassendste Präsentation von Kunst und Kultur in Wien um 1900 umfasst Werke des Historismus des Jugendstils und Expressionismus bis zur Neuen Sachlichkeit. Sie zeigt neben Gemälden und grafischen Arbeiten bedeutender Künstler:innen wie Hans Makart, Tina Blau, Gustav Klimt, Egon Schiele, Oskar Kokoschka oder Broncia Koller-Pinell Beispiele des Kunstgewerbes der Wiener Moderne. Hier fügen sich die Bestände des Backhausen Archives kongenial ein. Die Dauerleihgabe sichert nun dessen Präsentation im In- und Ausland ebenso wie die Weiterführung der wissenschaftlichen Erforschung der Objekte.
Symbiose von Kunst und Handwerk
Joh. Backhausen & Söhnewurde um 1840 in Wien von Jakob Backhausen (1789–1849) gegründet. Als Sohn eines Webermeisters kam Backhausen 1811 aus dem Rheinland nach Wien, wo er ein Haus in Gumpendorf erwarb. Sein Sohn Johann Backhausen (1818–1866) übernahm den Betrieb im Todesjahr des Vaters 1849 und gründete gemeinsam mit seinem Bruder die Firma Karl & Johann Backhausen & Co. Durch die hohe Qualität der Produkte erhielt man bald internationale Auszeichnungen. Nach Karls Ausscheiden wurde das Unternehmen in Johann Backhausen, k. k. ausschließlich privilegierte Mode- und Chenillefabrik umbenannt. Johann sicherte sich die Patente zur Produktion von Chenillewaren in Österreich, Frankreich und Sachsen und lieferte sogar in die Vereinigten Staaten. 1864 bezog man in dem von Theophil von Hansen gegenüber der Wiener Hofoper errichteten Heinrichshof ein Verkaufslokal an der neuen Ringstraße. Die Hauptproduktionszweige bildete die Fertigung hochwertiger Modestoffe, von Möbel und Vorhangstoffen, Damasten, Brokaten und Teppichen aus Seide und Wolle. Die Interieurs mehrerer Wiener Ringstraßengebäude an, unter anderem die k. k. Hofoper, das Burgtheater, das Reichsratsgebäude (Parlament), das Wiener Rathaus sowie das Hofburgtheater wurden von Backhausen ausgestattet. 1888 erhielt Johann Backhausen für seine qualitätsvolle Arbeit und seine hochwertigen Produkte den Titel k. u. k. Hoflieferant.
Zeugnis künstlerischer Qualität
11.166 Objekte umfassen eine Vielzahl von Entwurfszeichnungen und -skizzen, unterschiedlichster Stoffproben aus eigener und fremder Produktion, firmenintern systematisch und akribisch geführter Dessin- und Musterbücher, sowie in- und ausländische Vorlagenwerke, technische Patronenzeichnungen und Geschäftsunterlagen, aber auch Raritäten wie japanische Färberschablonen oder hölzerne Druckmodeln. Das Archiv gewährleistet einen umfassenden und facettenreiches Blick auf die textile Gestaltung österreichischer Interieurs bis in das Jahr 1965. Besonders charakteristisch ist die ab 1903 erfolgte Zusammenarbeit mit der im selben Jahr gegründeten Wiener Secession und deren Künstler:innen, die neben deren Gründern Josef Hoffmann, Koloman Moser und Fritz Waerndorfer zahlreiche zeitgenössische Protagonist:innen der Wiener Moderne umfasst, wie u. a. Otto Wagner, Joseph Maria Olbrich, Jutta Sika, Dagobert Peche, My Ullmann oder Otto Prutscher. Backhausens Spezialisierung auf die Umsetzung derer Entwürfe in gewerbliche Erzeugnisse fand ihren Höhepunkt in berühmten Werken der Zeit wie den Ausstattungen des Sanatorium Purkersdorf (1904/05), der Villa Ast (1911) der Villa Skywa-Primavesi (1913–1915), des Palais Stoclet in Brüssel (1905–1911) oder der Wiener Villa Knips (1924).
Mit seiner engen Kooperation mit modernen und richtungweisenden Künstlervereinigungen wie der Wiener Werkstätte oder der Secession und der Ausstattung heimischer Bauten wie der Postparkasse, dem Hofwartesalon der Wiener Stadtbahn, der Villa Skywa-Primavesi oder dem nicht mehr erhaltenen Cabaret Fledermaus, sowie internationaler Projekte leistete Backhausen Großes und galt als erste Adresse für experimentelles Textildesign. Backhausen ist eng verbunden mit jenen Persönlichkeiten, die für das Unternehmen entwarfen oder deren Entwürfe angekauft und produziert wurden und zur wahren Elite der heimischen Kunst- und Architekturgeschichte zählen: Otto Wagner, Josef Hoffmann, Koloman Moser, Dagobert Peche, Otto Prutscher, Joseph Maria Olbrich, My Ullmann oder Josef Frank. Die oft sorgfältig ausgeführten und vereinzelt auch signierten Entwurfsreinzeichnungen sowie daraus hervorgehende Stoffe sind durchwegs von herausragendem, künstlerischen und musealen Wert. Einst als simple Arbeitsvorlage in Verwendung sind diese Objekte heute unschätzbare künstlerische und handwerkliche Dokumente der kulturell reichen Jahrhundertwende.