Die Vienna Design Week 2024 bezieht jährlich ein anderes Gebäude mit seiner Festivalzentrale: Diesmal nutzt die 18. Ausgabe des Festivals von 20. bis 29. September die Quartiersentwicklung „Village im Dritten“ und die darin befindlichen „Docks“ (geplant vom Architekturbüro Artec) und damit erstmals einen Rohbau.
Die Festivalzentrale dient Besucher:innen als Treffpunkt und Aufenthaltsort und wird zum besonderen Rahmen für ausgewählte Inhalte, Veranstaltungen, Ausstellungen und Installationen. Der 3. Wiener Gemeindebezirk Landstraße geht auf die erste Stadterweiterung 1850 zurück und zählt zu den inneren Bezirken, der als einziger seine Außengrenze nicht am Gürtel, sondern weiter davon entfernt hat. Auf dem von Gewerbe-, Industrie- und Wohnzonen geprägten Bezirksgebiet befinden sich Landmarks wie der Hochstrahlbrunnen, das Schloss Belvedere, das Hundertwasserhaus oder das Arsenal sowie zahlreiche Botschaften, Palais und Kulturinstitutionen von Konzerthaus bis Arena.
Diesmal zieht die Festivalzentrale in einen Neubau. Das Gebäude entlang des Landstraßer Gürtels (zwischen Landstraßer Hauptstraße und Adolf-Blamauer-Gasse) bietet künftig auf 9.000 Quadratmetern Platz für Loftbüros und Gewerbe mit Ausstellungsflächen, Nahversorgung und Gastronomie. Die „Docks“ sind Teil des Stadtquartiers Village im Dritten. Rund um einen großen zentralen Park entstehen auf einer Fläche von elf Hektar außerdem etwa 2.000 Wohnungen, Büros und Bildungseinrichtungen. Energetisch versorgt wird das Quartier durch einen Mix aus Erdwärmesonden, Photovoltaikanlagen und Fernwärme. Neben den Veranstaltungen in der Festivalzentrale wird die Vienna Design Week auch auf die Entwicklung des Grätzls eingehen.
Unter anderem lädt das Format „Platform“ Akteur:innen aller Art – von Designstudios und Architekturbüros über österreichische und internationale Unternehmen jeder Größe ebenso wie Museen, Kulturinstitutionen und Hochschulen eingeladen –ein, Teil dieses Designfestivals zu werden. Wie immer prägen diverse kuratierte Formate das Festival wie Debüt, Design Everyday, Fokus, Passionswege, Re:Form, Stadtarbeit, Urban Food & Design ebenso wie ergänzende Vermittlungsangebote, Talks sowie die Schwerpunkte Fokusbezirk und Festivalzentrale das Programm. Dessen zentraler Bestandteil sind von externen Partner:innen – von Österreich über die Türkei bis Ägypten, China und Südafrika – für die „Platform“ gestaltete Beiträge.
So schafft die Vienna Design Week zum Beispiel mit dem bereits erprobten Format „Stadtarbeit“ einen international beachteten Rahmen für die Umsetzung von Social-Design-Ideen.
Stadtarbeit
Die diesjährigen Stadtarbeit-Projekte führen mitten in den Dritten Wiener Gemeindebezirk, wo gut frequentierte Standorte genauso wie neu zu entdeckende Ecken mittels Wanderküche und Urban-Legends-Performances erschlossen werden. Ergänzend zu den Schauplätzen im Fokusbezirk wird zudem in ein bemerkenswertes Grätzl rund um den Hernalser Elterleinplatz, in dem das mikroklimatische Potenzial der Wiener Innenhöfe untersucht wird, eingeladen: Auf unterschiedliche Weise befassen sich die Interventionen „Kiosk T//Waste“, „An Urban Legend to Be“ und „Wiener Klimahöfe“ mit den sozialen Herausforderungen des städtischen Zusammenlebens. Urbane Räume werden analysiert und im gemeinsamen Tun von Gestalter:innen und Festivalöffentlichkeit soll das Miteinander in der Stadt verbessert werden. Alle drei Projekte im öffentlichen Raum und in Zusammenarbeit mit sozialen Einrichtungen, laden zum Mitmachen ein, um den Austausch von lokalen Akteur:innen, Designer:innen und allen Festivalbesucher:innen anzustoßen.
Mikroklima für die Stadt: Mit dem Projekt „Wiener Klimahöfe“ zeigt das Future Problems Architecture Studio, welches mikroklimatische Potenzial in den bestehenden Innenhöfen der Stadt steckt. Future Problems Architecture Studio lädt dazu ein, die Innenhöfe zwischen Geblergasse, Hernalser Hauptstraße, Weißgasse und Ortliebgasse in Form von geführten Spaziergängen, Expert:innengesprächen und Workshops mit Anrainer:innen zu erkunden. Das Themenspektrum reicht von der Dichte in der Stadt über Entsiegelung und Begrünung bis hin zur Nutzungsvielfalt im gemeinschaftlichen Raum.
Julian Raffetseder und Klara Jörg Dasvom Future Problems Architecture Studio beschäftigen sich mit Fragen des Zusammenlebens auf einem Planeten mit endlichen Ressourcen und verbinden Strategien zirkulären Bauens mit architektonischen Maßnahmen in Zeiten der Klimakrise. Das Interesse des Duos an biobasierten Baustoffen sowie die Erforschung von Räumen für neue, klimaverträgliche Lebensformen spiegelt sich unter anderem in ihrem Europan17-Beitrag „Feldstadt am Heidjöchl“ für Wien (mit Elisabeth Ableidinger) wider, der mit einer lobenden Erwähnung bewürdigt wurde. „Wiener Klimahöfe“ greift das Thema auf, verortet es in der dichten Gründerzeitbebauung und erprobt deren Anpassung an eine mögliche klimatische Zukunft.
Neue Perspektiven: Das künstlerisches Forschungsprojekt „An Urban Legend to Be“ des klub für echtes und erdachtes (klee) erkundet spielerisch und performativ neue Wege der Stadt- und Raumerforschung ebenso wie die Potenziale von Fiktion als Verbindung zwischen Realitäten, Menschen und Zeitlichkeiten. Das Team von klee lädt ein, aktiver Teil seiner Methoden zu werden und gemeinsam neue Narrative zu schaffen. Mit vier performativen Stadterkundungen und Story-Creation-Workshops bietet das Projekt Möglichkeiten zum gemeinsamen Erleben und Weiterdenken urbaner Mythen.
klee arbeitet an der Schnittstelle von Stadtforschung und Interventionen im öffentlichen Raum. Auf humorvolle Art und mit selbstkritischem Zugang zur eigenen Rolle als Gestalter:innen regen Luca Hierzenberger, Hannah Horn, Lukas Kobel und Hannah Leimberger – allesamt Student:innen an der Universität für angewandte Kunst Wien – durch Irritation zur Teilhabe an und begeben sich in den Austausch mit Vorgefundenem.
Lebensmittelpunkt Küche: „Kiosk T//Waste“ ist eine nomadische Intervention. Mittels einer fahrbaren Gastroeinheit, werden gerettete Zutaten aus lokalen Betrieben zu vegetarischen Gerichten verarbeitet, um insbesondere für Themen der Lebensmittelverschwendung in Großküchen zu sensibilisieren. An wechselnden Standorten im Fokusbezirk und im angrenzenden Favoriten – von Wien Mitte – The Mall über den Botanischen Garten der Universität Wien bis zum Kulturhaus Brotfabrik – lädt das Projekt die Öffentlichkeit dazu ein, den Begriff des Abfalls neu zu definieren. Begleitend finden Expert:innengespräche oder Community Cooking der Caritas statt, bei dem Teilnehmer:innen lernen, wie Menüs entlang des Leaf-to-Root-Prinzips – also ohne Rückstände und Abfall – zubereitet werden können.
Das Kollektiv T//Waste mit Sitz in den Niederlanden und Österreich arbeitet an der Schnittstelle von Social Design, nachhaltigen Lebensmittelsystemen und Community Building. Das sechsköpfige Team ist überzeugt, dass sich Lebensmittel als Werkzeug für die Auseinandersetzung mit Kulturen, sozialen Gruppen und Sprachen eignen.
Ausgewählt wurden die diesjährigen Stadtarbeit-Projekte von den Lena Rücker (MA 18 – Stadtentwicklung und Stadtplanung), Julia Habarda und Tobias Kauer (membran, Designer:innen und Gewinner:innen des Erste Bank Social Designpreis 2023), Clemens Foschi (Caritas, Erzdiözese Wien), Ruth Goubran (Erste Bank) sowie Hanna Facchinelli und Gabriel Roland (Vienna Design Week).
Von 20. Bis 29. September 2024
Weitere Programmpunkte: www.viennadesignweek.at