E.1027 ist eine filmische Reise in die Gedankenwelt von Eileen Gray und rekonstruiert die dramatische Geschichte der avantgardistischen Designerin und ihres Hauses.
„Um diese Geschichte zu erzählen, mussten klare künstlerische Entscheidungen getroffen werden: keine Zeitgenossen, keine Experten, keine Suche nach dokumentarischer ‚Wahrheit‘“, sagt Ko-Regisseur und Drehbuchautor Christoph Schaub. Beatrice Minger und Christoph Schaub haben sich für die Abstraktion entschieden und schufen einen filmischen Raum, in dem die Geschichte inszeniert und erlebt werden kann. „Einen Raum, in dem sich Emotionen abspielen, in dem Fragen gestellt werden können. Und wo Eileen Gray sich selbst in Frage stellen kann. Wir haben eine herausfordernde Reise zu neuen Orten unternommen. Was könnte interessanter sein?“, wie Schaub anmerkt.
Die Geschichte eines Hauses …
Die irische Designerin Eileen Gray hatte sich 1929 ihr erstes Haus gebaut, ihr eigenes diskretes und ebenso avantgardistisches Refugium an der Côte d’Azur gebaut und gibt ihm den Namen „E.1027“, eine kryptische Kombination aus ihren eigenen Initialen und denen von Jean Badovici, mit dem sie es gemeinsam gebaut hatte.
Sie hatte Badovici, den Gründer und Chefredakteur der neuen Zeitschrift „L‘Architecture Vivante“ in den frühen 1920er Jahren kennengelernt. Er verfügte über ein umfangreiches Netzwerk der einflussreichsten Architekten jener Zeit, darunter auch Le Corbusier. Bis heute bleibt die Art der Beziehung und der Zusammenarbeit zwischen Eileen Gray und Badovici rätselhaft. Sie teilten eine tiefe Freundschaft und Zuneigung, bauten und schrieben gemeinsam, etwa 1929 in „L‘Architecture Vivante“, wo sie in dem Essay „Vom Eklektizismus zum Zweifel“ ihre Form des Diskurses darlegen. Eileen Gray spricht darin sehr offen ihre Kritik an der modernen Architektur an und formuliert ihre eigene Position, anders zu bauen. Welcher Art ihrer beider Beziehung war bleibt ebenso im Dunkeln wie der wahre Grund für Eileen Grays Entscheidung, E.1027 zu verlassen.
Ihr Haus in Roquebrune-Cap-Martin ist das Ergebnis ihrer engen Zusammenarbeit mit Badovivi, es ist jedoch geprägt von der unverwechselbare Handschrift und dem Geist Eileen Grays. Selbst der Name, E.1027, widerspiegelt wie komplex beider Rolle bei der Entwicklung des Projekts gewesen ist: Die Bezeichnung ist eine Kombination aus den Vor- und Nachnamen der Architekten – E für Eileen, 10 für das J in Jean (der 10. Buchstabe des Alphabets), 2 für das B von Badovici und 7 für den das G in Gray.
… und seiner Architektin
Anfang der 1920er Jahre lernte Eileen Grays durch Jean Badovici Le Corbusier kennen. Auch wenn jeder das Talent des anderen in verdeckter Form anerkannte, blieb ihre Beziehungen immer distanziert. Umso mehr, als Le Corbusier 1937/38, nachdem Gray E.1027 bereits Badovici überlassen hatte, beschließt, die Innen- und Außenwände des Hauses mit imposanten Fresken zu bemalen, ohne dass die Designerin davon wusste.
Der elegante und gut durchdachte Film nutzt das Medium des Kinos, um einen Diskurs zu bereichern, der zu lange von der Arroganz einiger weniger beherrscht wurde.
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Gray empfand diese Malereien als Vandalismus und forderte ihre Rücknahme. Le Corbusier ignorierte ihren Wunsch und baute stattdessen sein berühmtes Le Cabanon direkt hinter E.1027, das bis heute die Erzählung des Ortes dominiert und eine Geschichte über die Macht des weiblichen Ausdrucks und den Wunsch der Männer, ihn zu kontrollieren erzählt.
Mit ihrem Ausstieg bei E.1027 im Jahr 1931 zog sich Eileen Gray auch aus dem öffentlichen Rampenlicht zurück. Sie war zu diesem Zeitpunkt 54 Jahre alt und hatte das Bedürfnis, die meiste Zeit allein zu sein. Vor 1968 verschwand Eileen Gray fast vollständig aus der Öffentlichkeit und unterhielt nur noch wenige enge Beziehungen, wie etwa zu ihrer Nichte, der Künstlerin Prunella Clough. Bevor Gray 1976 im Alter von 98 Jahren starb, bat sie ihre Nichte, ihre gesamte Korrespondenz zu vernichten, sobald sie tot sei. Alles, was von ihr bleiben sollte, war ihr Werk.
Eine Annäherung
Die Design-Ikone Eileen Gray war unmittelbare Inspiration für die Gestaltung des Films, die sich in klaren Linien, besonderen Farbgebungen und Formen widerspiegelt. E.1027 – Eileen Gray und das Haus am Meer erzählt auch vom Leben einer hochbegabten Künstlerin im Schatten ihrer männlichen Kollegen. „Für mich geht die Verletzung weit über die weißen Wände eines Hauses hinaus, „kommentiert die Regisseurin Beatrice Minger, die Idee zum Film. „Zu Beginn des 20. Jahrhunderts waren Künstlerinnen auf die Künste beschränkt, die sich mit Innenräumen befassten – Möbel und Innenarchitektur, Malerei oder Schreiben. Eileen Gray verließ die Enge des Innenraums und betrat das äußere, männliche Territorium – die Architektur. Le Corbusier – der Zeus der französischen Moderne – reagiert darauf und weist sie in ihre Schranken“.
Wie ein schöner Ausflug in die Vergangenheit.
Libertyn
Eileen Gray schuf als Architektin und Designerin Möbel und Einrichtungsgegenstände, die heute zu den exklusivsten und teuersten der Welt gehören. Sie entwarf auch die Inneneinrichtung und das Mobiliar in E.1027, und verlieh dem Haus damit seinen einzigartigen Charakter. „Ihr Haus, ihre Kunst, ihre Möbel, die Zeitgeschichte, ihre Persönlichkeit – all diese Facetten haben uns dazu bewogen, ihre Geschichte zu erzählen“, sagt Co-Regisseur Christoph Schaub. „Eileen Gray musste sich als eine der ersten Architektinnen in einer von Männern dominierten Welt behaupten. Als Künstlerin brachte sie ihre eigene Position in die modernistische Architekturdebatte ein“.
Eileen Gray und Le Corbusier-Experten und Akademiker sind sich in der Frage der Urheberschaft und der Verantwortung noch immer uneins. Auch der Renovierungsprozess des Hauses war von den gegensätzlichen Meinungen beider Lager geprägt. Beide Standpunkte stehen sich gegenüber und die Debatte geht weiter. „E.1027“ ist heute ein Museum, das einer breiten Öffentlichkeit zugänglich ist.
www.riseandshine-cinema.de
https://capmoderne.com/en/
E.1027 – Eileen Gray und das Haus am Meer
Schweiz 2024, 89 Min, Farbe
Regie: Beatrice Minger,
Ko-Regie und Drehbuch: Christoph Schaub
Sprache: Englisch, Französisch
Untertitel: Deutsch Kinostart Deutschland: 24. Oktober 2024