Einer der bemerkenswertesten Künstlerinnen der Wiener Werkstätte, Felice Rix-Ueno (1893-1967) widmet das MAK eine reich bestückte Ausstellung, die mit rund 200 Objekten das abwechslungsreiche Oeuvre der Ausnahmekünstlerin durch eine sensible und zurückhaltende Architektur zur vollen Entfaltung verhilft.
Ihr hochpoetischer, eigenständiger Stil zeigt sich in hunderten Entwurfszeichnungen, die sie für die Wiener Werkstätte schuf, vor allem für Stoffmuster, aber auch für Tapeten, Stickereien, Emailarbeiten, Mode- und Wohnaccessoires, Spielzeug und Gebrauchsgrafik. 1925 hatte Rix den japanischen Architekten Isaburo Ueno, der als Assistent bei Josef Hoffmann tätig war, geheiratet und war mit ihm nach Kyoto übersiedelt. Bis es ihr aus politischen Gründen verwehrt wurde, pendelte sie zwischen Japan und Wien. 1931 fertigte sie zum letzten Mal Arbeiten für die Wiener Werkstätte an. Regelmäßig kehrte sie jedoch nach Wien zurück und fertigte weiterhin Entwürfe für die WW. In Japan war sie als Universitätsprofessorin und Gründerin eines eigenen Designinstituts erfolgreich tätig. Die Ausstellung „Sterne, Federn, Quasten. Die Wiener-Werkstätte-Künstlerin Felice Rix-Ueno (1893-1967)“ ist die erste Personale der Wiener Künstlerin außerhalb Japans.
Geboren wurde Felice Rix-Ueno am 1. Juni 1893 in Wien. In dem großbürgerlichen, jüdisch-liberalen Umfeld, in dem sie mit drei jüngeren Schwestern aufwuchs, trafen kreatives Unternehmertum und Kunstschaffen aufeinander. Ihre aus Ungarn stammende Großmutter, Wilhelmine Rix, war Gründerin einer erfolgreichen Kosmetikmarke, Julius Rix, ihr Vater, vielseitiger Unternehmer, und später Filialleiter bzw. Geschäftsführer der 1903 gegründeten WW. Felice besuchte für ein Jahr die private Malschule Streblow und ging im Anschluss auf die Graphische Lehr- und Versuchsanstalt, um danach an die Kunstgewerbeschule zu wechseln.
Unverwechselbar und hochpoetisch
Ihre ersten Arbeiten für die Wiener Werkstätte schuf sie um 1914. Zu der Zeit studierte sie bei Josef Hoffmann, der die WW gemeinsam mit Koloman Moser und Fritz Waerndorfer gegründet hatte und seine Schüler:innen vielfach zur Mitarbeit einlud. Die japanische Formensprache, die etwa anhand von Färberschablonen (Katagami) bereits in der Kunstgewerbeschule vermittelt wurde, inspirierte sich ihr unverwechselbarer Stil. Bei der Einrichtung einer WW-Filiale auf der Kärntner Straße schuf Rix 1918 Wandmalereien, ein Gebiet, das sie in Form zahlreicher herausragender Gestaltungen ihr ganzes Leben begleiten sollte. Als die Wiener Werkstätte 1932 aufgelöst wurde, war sie einer deren wesentlichen Gestalter:innen.
Mit zahlreichen Stoffmustern hatte sie ihre Karriere gestartet und sowohl geometrische wie florale Motive geschaffen, die sich durch ihre ausgesprochen zarte Strichführung und eine subtile Farbpalette auszeichnen. Neben den Anregungen aus Fernost nahm sie auch Stoffmuster aus der Wiener Biedermeierzeit zum Vorbild. Ihre Affinität zu Japan zeigt sich auch in der Bezeichnung der WW-Stoffe, wie etwa „Japanland“ oder „Tokio“ und entstanden unter dem Eindruck des Großen Kanto-Erdbebens von 1923. 1928 entstand eine fantastische Tapetenkollektion mit vier Mustern in vielen, teils ungewöhnlichen Farbstellungen. Sie wird derzeit von der japanischen Firma Linden wieder neu aufgelegt und mithilfe einer 150 Jahre alten Druckmaschine in England produziert.
Einfühlsam und farbgewaltig
In Japan arbeitete Rix-Ueno vielfach mit ihrem Mann zusammen: So gestaltete sie das Interieur für die Gebäude, die ihr Mann entwarf. Als erstes Projekt stattete sie die extravagante „Star Bar“ in Kyoto mit Wand- und Deckenmalereien aus. Ohne Felices Mitarbeit zu erwähnen wurde die Bar nur unter Isaburo Uenos Namen 1932 auf der berühmten Ausstellung „Modern Architecture“ im New Yorker MoMA vorgestellt. 1936 zog das Paar nach Takasaki, um sich gemeinsam mit dem deutschen Architekten Bruno Taut der Wiederbelebung des dortigen Kunstgewerbes zu widmen. 1939 bereiste das Ehepaar die Mandschurei, wo Felice sich mit dem Medium der Bildrolle auseinandersetzte. Bei einem zehnmonatigen Aufenthalt in San Francisco traf sie auf ihre ehemalige WW- Kollegin, die Keramikerin Susi Singer.
Wieder in Japan zurück war Rix-Ueno technische Beraterin am Textilforschungsinstitut in Kyoto und entwarf Stoffmuster für den Japanischen Textildesignerverband sowie Emailarbeiten in der Cloisonné-Technik. Schließlich wurde sie an die Städtische Kunsthochschule Kyoto berufen, und leitete dort die Klasse „Farbe und Komposition“. Im Anschluss an ihre Pensionierung als Professorin 1963 gründete sie mit ihrem Mann Isaburo Ueno das Internationale Design-Institut, an dem sie weiter unterrichtete.
Auch ihr wichtigstes Spätwerk, die malerische Gestaltung des „Restaurants Actress“ im Nissay-Theater Tokyo entstand in diesem Jahr auf Einladung des Architekten Togo Murano. Auf den mit Alufolie ausgekleideten Wandflächen als schillerndem Hintergrund setzte sie ihre poetischen Blüten- und Pflanzenkompositionen. Die Wandmalereien des ehemaligen Restaurants konnten zum Teil konserviert werden und befinden sich heute im University Art Museum in Kyoto, während der Nachlass des Ehepaares Rix-Ueno im dortigen Museum of Modern Art verwahrt wird.
In der Ausstellung sind unter anderem auch Werke von Rix-Uenos jüngster Schwester Kitty Rix (1901–?) zu sehen, die ebenfalls zu den
Künstler:innen der WW gehörte und als Keramikerin Gebrauchsgegenstände wie Vasen, Lampenfüße, Buchstützen oder Kakteenständer entwarf. Neueste Forschungsergebnisse geben einen zusätzlichen Einblick in die Geschichte der jüdischen Unternehmer:innen- und Künstler:innen-Familie Rix, die vor allem auch von Emigration erzählt: Die Schwestern verschlug es vor oder im Zuge der Verfolgung von Juden und Jüdinnen in alle Welt, neben Japan auch nach Israel, Südamerika und Australien.
Bis 21. April 2024