Die Pläne der Stadt Wien für das Westbahnhofareal liegen vor. Wiens Planungsstadträtin Ulli Sima präsentierte am 26. Februar einen ersten Planungsvorschlag zum Stadtentwicklungskonzept (SEK) Mitte 15, das auf 5 Hektar des insgesamt 6 Hektar großen Areals den „Neue Landschaftspark am Westbahnhof“ vorsieht.
Ulli Sima betont gleich einleitend eindringlich, man hätte die lautstark vorgetragenen Wünsche der Bürger:innen nach unverbautem Grünraum gehört und sehr ernst genommen. Betrachtet man allerdings den vorgestellten Entwurf, wird eines offensichtlich, die Gemeinde hat die Wünsche vielleicht gehört, zugehört hat sie nicht, denn auf 1 Hektar Fläche sind von Westbahnhof bis Schmelzbrücke zum Teil sehr hohe Wohnbauten geplant.
Die Enttäuschung und Empörung der Aktivist:innen und Bürger:innen, die jahrelang für den unverbauten Erhalt des Areals gekämpft haben, ist enorm. Dass ein unverbauter Park als wichtige Klimaschneise kühlende Luft bis in das Stadtzentrum leiten würde und wirksame Abhilfe gegen die fortschreitende Überhitzung der Stadt brächte, ist auch unter Fachleuten unumstritten. Den Wunsch der Initiative Westbahnpark.Jetzt und 11.092 Unterzeichnender (Stand 26.01.2024) einer von der Initiative initiierten Petition, hat die Planungsstadträtin wohl fehlinterpretiert. Die Reaktion der Aktivist:innen ist nicht unerwartet: „Wir begrüßen die verbesserten Querverbindungen im Bezirk. Wir würden auch den Landschaftspark begrüßen, würde er Erholungs- und Freiraumqualitäten im Bezirk an erste Stelle setzen. Ein Park ist per Definition eine Grünfläche ohne maßgebliche Bebauung. Die im heute präsentierten Plan enthaltenen Hochhäuser und Baupotenziale südlich der Schmelzbrücke und rund um das Westbahnhofareal sind mit der Deklarierung eines Parks nicht vereinbar. Das Wording des ‚Neuen Landschaftsparks am Westbahnareal‘ erscheint daher als gezielte Kaschierung. Eines steht nämlich fest: es gibt keinen Park mit Hochhäusern! Auch wenn die begrünten Dächer der geplanten Bebauung als Teilfläche des Parks ausgewiesen werden, der benutzbare Grünraum ist dann unterbrochen und wird in getrennte Teilräume aufgelöst“.
Wohnen am Park
Wenn die Stadträtin auch betont, man folge mit der Umsetzung eines weitläufigen Parks dem Wunsch der Bewohner:innen, ist auf zirka 1ha der Fläche Wohnbaunutzung vorgesehen, bei den Brückenköpfen der Schmelzbrücke und in der Nähe des Bahnhofs. Selbst wenn mehrmals unterstrichen wird, dass Wohnbauwidmung nur an versiegelten bzw. bebauten Flächen vorgesehen ist, stechen diese bereits in den ersten Ansichten durch große Höhe und mächtiges Volumen hervor – daran ändern auch zahlreiche, üppig begrünte Terrassen nichts. Selbst weitere bauliche Entwicklungspotenziale sähe man auf der Südseite der Schmelzbrücke und direkt beim Westbahnhof, jeweils auf bereits versiegelten Flächen – wie man nicht verabsäumt nochmals zu unterstreichen. Die Möglichkeit, bereits versiegelte Flächen auch entsiegeln zu können, ist kein Thema.
„Ökonomische Interessen der momentanen Eigentümerin ÖBB müssten sich dem übergeordneten öffentlichen Interesse unterordnen. Potenzielle wirtschaftliche Vorteile bei einer Bauwidmung sind als Argument für eine Bebauung dieses Areals nicht ausreichend“, stellen sich die Vertreter der Initiative Westbahnhof auch hier klar gegen die geplanten baulichen Maßnahmen.
Die weitere Vorgangsweise
Bevor die benötigten Flächen auf dem Westbahnareal frei gemacht werden können und eine Umsetzung möglich wird, muss die ÖBB als Grundeigentümerin allerdings noch eine Reihe zentraler Schienen-Infrastrukturprojekte im Westen Wiens durchführen. Denn der Westbahnhof soll als bedeutender Umsteigeknoten für Pendler:innen gestärkt werden. Die neue städtebauliche Umsetzung muss also noch warten. Einstweilen will man die Zeit produktiv nützen: Noch im Februar soll das aktuell noch auszuarbeitende Stadtteilentwicklungskonzepts (SEK „Mitte 15“) der Der Stadtentwicklungskommission vorgestellt und noch heuer beschlossen werden. Dann folgen die Enzwicklung eines konkreten Leitbildes für das Areal an der Felberstraße sowie Infrastrukturplanungen und Flächenwidmung. Eine Umsetzung wird daher noch einige Jahre in Anspruch nehmen.
Die dynamische Entwicklung des 15. Bezirks in Bezug auf seine Infrastruktur, den öffentlichen Raum sowie Baumaßnahmen bildete den Hintergrund der Überlegungen, was der Streifen entlang der Felberstraße für den Bezirk, für die Stadt leisten kann. Und was dieser Streifen nun laut Stadt Wien leisten kann, zeigt der vorgelegte Entwurf: Grünraum ja, aber nur unter der Voraussetzung, hier auch Wohnraum zu schaffen.
Unterbaubare begrünte Westbahnterrassen
Der aktuelle Entwurf sieht vor, den Landschaftspark auf das Niveau der Felberstraße anzuheben und damit eine klare Trennung zum Bahnverkehr weiter unten zu schaffen. Begründet wird das mit Sicherheitsvorgaben, vor allem aber mit der guten Erreichbarkeit der Grünfläche. Die steile Böschung sei nicht praktikabel, führt Ulli Sima aus. Den steilen Neigungswinkel auch gut nutzbar in den Park zu integrieren, sei unmöglich. Und Aufschüttungen würden auf der Gleisebene zu viel Fläche wegnehmen.
Die sogenannten „Westbahnterrassen“, die etwa im Bereich der Schmelzbrücke besonders weit über den Gleiskörper auskragen sollen, erlaubten eine Verbreiterung des Grün- und Freiraums. Punktuell schaffe man so Raum für eine bauliche Entwicklung entlang des Parks. Die aktuellen Planungsüberlegungen sehen auch vor, die Westbahnterrassen teilweise zu unterbauen und somit betriebliche Nutzungen unterhalb und hochwertigen Grünraum an der Oberfläche zu vereinen. Eine 1,5 Meter hohe Erdschicht soll laut Ulli Sima Bäumen ausreichend Wurzelraum zur vollen Entfaltung bieten. Internationale Beispiele von Überplattungen in Paris, Madrid oder Valencia werden angeführt, sie würden zeigen, wie solche Systeme erfolgreich funktionieren können.
Ordentliche Grüne Bilanz?
„Ich bin sehr froh, dass wir auf diese Lösung der Westbahnterrassen gekommen sind, die einen Park mit vollwertigen Bäumen erlauben werden“, so Sima, die ein gutes Nebeneinander von Park, Wohnen und Bahnbetrieb ermöglichen will. Auch die sichere Entkoppelung der Nutzungsbereiche sei auf diese Weise gelungen. „5 ha für Grünraum zur Verfügung stellen zu können ist eine sehr ordentliche Bilanz, die sich sehen lassen kann und auch für den Bezirk einen Aufschwung in der Grünraumversorgung bieten wird“, zeigt sich die Stadträtin stolz über das Ergebnis.
Der Verfasser der ersten Planungsskizzen Stadtplaner Roland Krebs von Superwien erklärt: „Wir wollen den Niveauunterschied für eine klare Trennung des Bahnbetriebs von der Erholungsnutzung im Park nutzen, der zum Teil auf darunterliegenden Gebäuden angeordnet ist und zum Teil aufgeschüttet wird. So kann nicht nur die Sicherheit, sondern auch ein wunderbarer Blick auf die Gloriette gewährleistet werden“. Die so unter den Westbahnterrassen entstehenden Räumlichkeiten würden von der Gleisebene her erreichbar sein und könnten für die ÖBB oder andere betriebliche Fremdnutzungen zur Verfügung stehen.
„Mit dem vorgeschlagenen Konzept ist sichergestellt, dass die bisher versiegelten Flächen aufgebrochen und umfassend bepflanzt werden können, wodurch ein Kühlungseffekt im Sommer auch für die angrenzenden Grätzl entsteht. Teile der bisherigen Böschungen können als Biodiversitätsflächen in die neue Parklandschaft integriert werden“, ergänzt die am Projektvorschlag ebenfalls mitwirkende Landschaftsplanerin Anna Detzlhofer. Ob die geplanten Maßnahmen zur Anhebung und die entsprechenden Baumaßnahmen zur Errichtung des Landschaftsparks, trotz punktuell bestehenbleibender Böschungen, nicht doch die reiche Biodiversität mit zum Teil unter strengem Schutz stehender Flora und Fauna gefährden könnten, wird nirgends erwähnt.
Die Initiative Westbahnpark.Jetzt kritisiert auch die Terrassenlösung: „Hier braucht es einen echten Grünrau,m, mit echter Erde darunter, mit naturnahmen Bodenhorizonten, der die präsentierten 1,5 Meter übersteigt. Mit dem Stadtteilentwicklungskonzept werden die besonderen Erfordernisse eines Stadtteils für die nächsten 10 bis 20 Jahre betrachtet und Rahmenbedingungen für künftige Entwicklungen geschaffen. Hier muss also die langfristige Sicherung der Grünraumversorgung und des Stadtklimas berücksichtigt werden. Das wissen und fordern tausende Bürger:innen seit langem. Mit dem derzeit vorliegenden Plan unterläuft die Stadt Wien ihre eigenen Vorgaben und Ankündigungen“.
Natürliche Klimaanlage
Ein zentraler Faktor für eine unverbaute Grünzone ist die bedeutende Rolle dieses Areals für die Frischluftversorgung der ganzen Stadt. Die Luftleitbahn am unverbauten Westbahnareal kühlt urbane Hitzeinseln bis in die Innenbezirke hinein. Matthias Till, Aktivist der Initiative Westbahnpark.Jetzt bringt es auf den Punkt: „Der unverbaute Westbahnpark ist Klimaanlage für alle und das gratis.“ Die Initiative erinnert an die Rolle Wiens als lebenswerte Weltstadt. Diese verdanke sie nicht zuletzt ihren grünen Errungenschaften und einst durchaus gewagten Utopien wie der Wienerwald, die Donauinsel oder der Nationalpark Donauauen. „Genauso eine Jahrhundertchance liegt uns jetzt mit dem Westbahnareal vor und sie kommt nicht so schnell wieder! Der Westbahnpark ist ein Projekt mit genauso großer Strahlweite. Hier muss die Stadtpolitik Flagge beziehen: Raus aus dem Asphalt!“, fordert die Initiative.
Entsprechend hart formulieren die Aktivist:innen daher ihren Unmut und ihre große Enttäuschung: „Mit den jetzt erstmals präsentierten Plänen einer Teilverbauung und Überplattung am Westbahnareal werden die Bedürfnisse und Wünsche der Bevölkerung ignoriert. Das ist inakzeptabel, denn die Zukunft des Westbahnareals betrifft ganz klar das übergeordnete, öffentliche Interesse.“ Eine klare Aufforderung an die Stadt Wien, ihre selbst auferlegte Aufgabe, zukunftsfähige und visionäre Stadtplanung zu entwickeln, auch zu erfüllen.
Die nächsten Schritte
Die Baumaßnahmen im Bereich des ÖBB-Areals stehen nun vorerst im Vordergrund. Diese seien zum Teil Voraussetzung dafür, das Areal auf Gleisniveau frei machen zu können. Eine Umsetzung der gestalterischen Entwicklung wird somit nicht vor 2030 möglich sein.
„Aber bis dahin wird viel geschehen“, wie die Stadträtin abschließt, „wie einige Maßnahmen im nahen Umfeld wie die Neugestaltung der äußeren Mariahilferstraße oder die Entwicklung eines Leitbilds zur Konkretisierung der vorgestellten Zielsetzungen und die Schaffung rechtlicher und organisatorischer Grundlagen. Auch in dieser Phase würde es der Bevölkerung wieder möglich sein, sich aktiv einzubringen. Gegen die offensichtliche Fehlinterpretation und manipulative Umformulierung des Wunsches nach einem unverbauten Westbahnpark, sind Aktivist:innen und Bürger:innen gewillt, sich auch weiterhin einzubringen und dagegen zu kämpfen, das einfach nur hübsch grün gefärbte Pläne, die letztlich doch nur Baumaßnahmen kaschieren, Realität werden.
Die Ergebnisse des Planungsvorschlags werden aufbereitet, der Stadtentwicklungskommission vorgestellt und sollen ab 8. März 2024 im Raum Mitte 15 am Rustensteg im 15. Bezirk ausgestellt werden.