Der in Seoul lebende koreanische Architekt Minsuk Cho und sein Büro Mass Studies werden den diesjährigen Serpentine Pavilion entwerfen, der am 7. Juni eröffnet wird und bis 27. Oktober bespielt wird.
Seit 2000, als der Pavillon zum ersten Mal von Zaha Hadid entworfen wurde, haben alljährlich bedeutende internationale Architekten sowie aufstrebende junge Talente, die Gelegenheit gehabt, den innovativen ephemeren Bau zu planen. Jeweils in den Sommermonaten wird der Pavillon zur partizipativen, öffentliche und künstlerischen Plattform für interdisziplinäre und teils bahnbrechende Aktionen des Serpentine Bildungsprogramms.
Der „Archipelagic Void“ – so der Name des diesjährigen Pavillons – wird aus fünf Bauteilen rund um einen zentralen offenen Raum angeordnet. Die kreisförmige Leere, die hier als Mittelpunkt entsteht, definiert sich über die daran andockenden schmalen Strukturen, die weit in den Park hinausreichen und somit mit der umgebenden Natur verschmelzen sollen.
Ein komplexe kommunizierende Struktur
Die fünf „Inseln“, wie Cho die Strukturen nennt, die weit in die Parklandschaft erstrecken, definieren sich im Kontrast zum leeren Mittelpunkt und verschmelzen gleichzeitig mit dem den Bau umgebenden Grünraum.
Bei der Mitte hat sich Minsuk Cho an der traditionellen Architektur seiner Heimat inspiriert, und zwar am „Madang“, einem kleinen Innenhof, der in alten koreanischen Häusern zu finden ist. Er wird hier unterschiedliche alltägliche Aktivitäten ebenso wie große gemeinschaftliche Ereignisse aufnehmen.
Die Ästhetik des Unsichtbaren
Ausgehend von dieser mittigen „Leere“ werden die davon ausgehenden Strukturen als „Inhalt generierende Maschine“ konzipiert, die jeweils eine eigene Bezeichnung erhält und unterschiedliche Nutzungen aufnehmen wird. Die Galerie wird als einladender Haupteingang fungieren und die kuratorischen Aktivitäten von Serpentine South nach außen tragen, während das Auditorium als Versammlungsraum genutzt werden wird. Nördlich des Pavillons wird eine kleine Bibliothek zum kurzen Innehalten einladen. Das Teehaus erinnert an die historische Rolle des Serpentine South als Teepavillon. Der Spielturm ist, als der offenste Raum, mit einer Netzstruktur ausgestattet.
Insgesamt verbinden sich die einzelnen Raumteile – fünf unterschiedliche überdachte Räume und fünf offene Zwischenräume, die vom zentralen Leerraum ausgehen, und zu einer großen Einheit verschmelzen, die nahtlos in den umgebenden Park ausufert. Die so entstehenden, modularen und flexibel nutzbaren Räume, die sich auch durch verschiedene natürliche Lichtstimmungen auszeichnen, werden bis Oktober 2024 diverse Veranstaltungen unter ihrem Dach aufnehmen.
Eine ideale Konstellation für kulturelle Begegnungen
Neben den Park Nights, einer interdisziplinären Plattform für Live-Begegnungen in den Bereichen Musik, Poesie, gesprochenes Wort und Tanz, werden im Pavillon die Serpentine-Aktivitäten in den Bereichen Technologie, Ökologie, einschließlich des Infinite Ecologies Marathon 2024, sowie der Bürgerbeteiligung und Bildung stattfinden.
Dieser 23. Serpentine Pavilion wird Ort speziell kuratierter Aktivitäten sein und wird eine Bibliothek sowie eine Reihe von Performances und Gesprächen anbieten. Der Pavillon ist in fünf einzelne „Inseln“ aufgesplittet, die alle in Größe, Form und Material unterschiedlich konfiguriert sind, eine facettenreiche Spielwiese, die bis Oktober mit den hier stattfindenden Veranstaltungen zum Verweilen einlädt.
Im Bereich der Galerie, dem Haupteingang zum Pavillon, wird eine Sechs-Kanal-Klanginstallation des Musikers und Komponisten Jang Young-Gyu präsentiert. Jang lässt sich von der Umgebung des Pavillons inspirieren und integriert Klänge aus der Natur und von menschlichen Aktivitäten, die in den Kensington Gardens aufgenommen wurden, mit traditioneller koreanischer Vokalmusik und Instrumenten. Die markanten Töne und Melodien zeichnen den Wechsel der Jahreszeiten nach. Sie reagieren auf die sich ständig verändernde Landschaft und Ökologie des Parks.
Die Bibliothek der ungelesenen Bücher des Künstlers Heman Chong und der Archivarin Renée Staal befindet sich im nördlichen Teil des Pavillons. Sie ist als Kunstwerk konzipiert, als eine lebendige Bibliothek, in der ein reiches Archiv des allgemeinen Wissens entstehen soll. Besucher sind herzlich eingeladen, ein ungelesenes Buch aus ihrem Besitz, zur wachsenden Sammlung beizutragen und einzureichen. Durch die Zugänglichmachung dieser Titel fungiert „The Library of Unread Books“ als kollektive Geste, die Vorstellungen von Zugang und Verbreitung ansprechen möchte.
In Anlehnung an die Geschichte des Serpentine-Gebäudes wird östlich des Pavillons das Teehaus eingerichtet. Denn das von James Grey West entworfene und 1934 eröffnete Serpentine South-Gebäude diente ursprünglich bis Anfang der 1960er Jahre als Teehaus, bevor es 1970 als Kunstgalerie wiedereröffnet wurde.
Der Pavillon bietet mit dem Play-Tower auch Raum für Spiele im Freien. Die Pyramidenstruktur mit einer leuchtend orangefarbenen Netzlandschaft, erlaubt es den Besuchern zu klettern und spielerisch zu interagieren. Als größtes Bauwerk der fünf „Inseln“ lädt das Auditorium im Westen mit seinen fix in die Struktur eingebauten Sitzbänken zur Teilnahme an öffentlichen Zusammenkünften, Aufführungen und Gesprächen teilzunehmen.
Die diesjährige Programmauswahl wurde von Bettina Korek, Geschäftsführerin der Serpentine, deren künstlerischem Leiter Hans Ulrich Obrist, der Direktorin für Bau und Sonderprojekte, Julie Burnell, der Direktorin für kuratorische Angelegenheiten und öffentliche Praxis, Yesomi Umolu, der stellvertretenden Ausstellungskuratorin Alexa Chow sowie den Beratern Sou Fujimoto und David Glover getroffen.
Als eine wichtige Inspiration Minsuk Cho´s kann jedenfalls „The Archipelago Conversations, Édouard Glissant, Hans Ulrich Obrist, iisolarii, 2022 (Sechste Ausgabe)“ gesehen werden: „Die Aufgabe der Architektur war es immer, zu zeigen, Raum zu beanspruchen, und das Denkmal ist der Beweis dafür. Vielleicht wird in unserer heutigen Welt, unserer Archipel-Welt der Beziehungen und Rhizome, die Grundlage und die Rolle der Architektur nicht mehr darin bestehen, das Denkmal, sondern das Unsichtbare zu zeigen. Die Ästhetik des Unsichtbaren bringt uns zurück zur Ästhetik der Leere und des Unendlichen, die keine Angst, sondern Hoffnung hervorrufen muss. Das könnte die neue Ambition der Architektur sein.
Minsuk Cho wurde in Seoul geboren, er schloss sein Studium an der Fakultät für Architektur und Ingenieurwesen der Yonsei-Universität (Seoul, Korea) und an der Graduate School of Architecture der Columbia University (New York, USA) ab. Nachdem er in verschiedenen Büros, darunter OMA Rotterdam, gearbeitet hatte, gründete er 1998 zusammen mit seinem Partner James Slade Cho Slade Architecture in New York City. Im Jahr 2003 kehrte er nach Korea zurück und eröffnete sein eigenes Büro, Mass Studies.
Mass Studies wurde 2003 von Minsuk Cho in Seoul, Korea, gegründet und hat sich zur Aufgabe gemacht, sich mit der kritischen Untersuchung der Architektur im Kontext der Massenproduktion, der stark überbevölkerten städtischen Verhältnisse und anderer entstehender kultureller Nischen, die die heutige Gesellschaft definieren, auseinanderzusetzen.
Inmitten der vielen Reibungen, die die räumlichen Bedingungen im 21. Jahrhundert bestimmen, nämlich Vergangenheit versus Zukunft, lokal versus global, Utopie versus Realität und individuell versus kollektiv, konzentriert sich Mass Studies auf die operative Komplexität dieser vielfältigen Bedingungen, anstatt eine singuläre, einheitliche Perspektive anzustreben. Für jedes Architekturprojekt, das in einem breiten Spektrum von Maßstäben existiert, untersucht Mass Studies Themen wie räumliche Systeme, Baumaterialien, Techniken und typologische Abweichungen, um eine Vision zu fördern, die die Entdeckung eines neuen soziokulturellen Potenzials ermöglicht.
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