„clinamen“ – so der Titel der multisensorischen Installation des französischen Künstlers Céleste Boursier-Mougenot – steht in tiefer Harmonie mit ihrem temporären Ausstellungsort, der Rotunde der Bourse de Commerce in Paris. Kuratiert wurde das raumgreifende Werk von Emma Lavigne, der Generalkuratorin und Geschäftsführerin der Pinault Collection. Die Installation durchaus eindrucksvollen Ausmaßes steht dabei im Einklang mit der Architektur des Raumes.
Dieses Wasser- und Klangwerk verwandelt die imposante Rotunde in einen Raum der Kontemplation. Richtig sommerlich sind auch die Farben der weitläufigen Wasserfläche. Im seichten Wasserbecken mit dem stolzen Durchmesser von 18 Metern, das unter der Glaskuppel platziert wurde, widerspiegelt sich die Farbe des Himmels. Weiße Porzellanschalen unterschiedlicher Größen schwimmen auf dem azurblauen Wasser. Sie werden durch eine sanfte Strömung in Bewegung versetzt und stoßen somit immer wieder aneinander. So entstehen zarte Klänge, akustische Vibrationen, ohne das Zutun des Künstlers, die das eigentliche Herzstück der Installation bilden, eine kleine Symphonie des Augenblicks, die sich mit den ständig sich verändernden Wellen wie von selbst entwickelt.
Einladung zur Kontemplation
Céleste Boursier-Mougenots Werk reiht sich in eine Tradition, in der Klang sich in eine lebendige Substanz verwandelt, losgelöst von traditioneller Musik. Besucher:innen sind eigeladen, aktiv am Erlebnis teilzunehmen.
Der Titel „clinamen“, ist der epikureischen Physik entlehnt und bezieht sich auf die Zufälligkeit bewegter Atome – ein Konzept, das mit dem unausweichlich veränderlichen und unvorhersehbaren Aspekt dieses Kunstwerks korrespondiert. Denn jeder Moment ist im Rahmen der Installation einzigartig und bietet ein immer wieder neues sensorisches und zeitliches Erlebnis.
Der Künstler konfrontiert die Besucher:innen mit der Unermesslichkeit des Augenblicks, in dem die Zeit stillzustehen scheint. Ihre Arbeit hinterfragt die Grenze zwischen Alltag und Kunst. Die simplen Porzellangefäße, werden zu raffinierten Instrumenten, die ohne menschliches Zutun Klänge erzeugen können, die Architektur wir zum Klangkörper.


Die Unendlichkeit einfangen
Die Bourse de Commerce wird zu einem Ort, der zum Zuhören und zur Kontemplation einlädt und dazu, sein eigenes Verhältnis zu Zeit und Klangwahrnehmung zu erforschen. Mit dieser Installation eröffnet Céleste Boursier-Mougenot einen subtilen Dialog zwischen Materie, Architektur und menschlicher Präsenz und schafft eine Umgebung, in der Kunst zur individuellen und kollektiven Erfahrung wird.
„Wenn die konzentrischen Schwingungen auf der Oberfläche der blauen Fläche an den Wunsch erinnern, die Unendlichkeit im geschlossenen Raum der Leinwand einzufangen (…) dann ist die Plastizität des Werks für Céleste Boursier-Mougenot nicht die Formalisierung einer vorgefassten Bildabsicht, sondern der Höhepunkt des Kompositionsprozesses, der allein Form hervorbringt“, so Ausstellungskuratorin Emma Lavigne. Céleste Boursier-Mougenot konfiguriert die Materialien neu, indem er Objekte aus ihrer Funktionalität entlässt. Sein Ansatz steht in Verbindung mit der von Dada und Fluxus vererbten Ästhetik der Zerstreuung, die er wiederbelebt, auch inspiriert von der Do-it-yourself-Haltung, von der die gesamte New Yorker Musikszene durchdrungen ist.
Céleste Boursier-Mougenot, geboren 1961 in Nizza, lebt und arbeitet in Sète. Er begann seine Karriere als Musiker, Komponist und Regisseur und kreiert seit den 1990er Jahren Klanginstallationen. Mithilfe unterschiedlichster Situationen und Objekte schöpft er das musikalische Potenzial dieser Materialien und Medien erfolgreich aus und erzeugt Klangformen, die er als „lebendig“ beschreibt. Seine Installationen interagieren oft mit den architektonischen und landschaftlichen Gegebenheiten der Räume, in denen sie präsentiert werden.
Bis 21. September
Bourse de Commerce Pinault Collection Paris
www.pinaultcollection.com