Preisträgerin des Divia Award 2025 (Diversity in Architecture Award) ist die Vietnamesische Architektin Tran Thi Ngu Ngôn. Der Preis wurde am 10. Mai zum zweiten Mal anlässlich der Eröffnung der 19. Architekturbiennale in Venedig feierlich übergeben.
Mit dem Divia Award hat sich dessen Gründerin, die Kunsthistorikerin Ursula Schwittala zum Ziel gesetzt, die Sichtbarkeit von Frauen in der Architektur zu fördern und jene auszuzeichnen, „deren Werk einen herausragenden Beitrag zu kultureller Vielfalt und Inklusion“ leistet.
Tran Thi Ngu Ngôn, Mitbegründerin des Architekturbüros Tropical Space, wurde für ihre nachhaltigen Projekte prämiert, in denen traditionelle Materialien und Techniken, etwa unter Einsatz lokaler Baustoffe wie Ziegel zum Einsatz kommen. Ihre Arbeiten vereinen gleichermaßen indigene Tradition und Moderne auf sehr kreative Weise und widerspiegeln dabei eine tiefe Sensibilität für die Kultur und das Klima ihres Heimatlandes Vietnam. In ihre Projekte bindet sie indigene Architektur ebenso wie nachhaltige Entwicklungspraktiken ein.
Klarheit und Kohärenz
Ngôn betonte in ihrer Dankesrede, dass sie tief berührt und geehrt sei, über die Zuerkennung der Auszeichnung und stolz, der vietnamesischen Architektur zu internationaler Aufmerksamkeit verhelfen zu können. Sie sähe die Auszeichnung als eine große Ermutigung in ihrer Tätigkeit. Tran Thi Ngu Ngôn bekräftigte auch, sich weiterhin ihrem Engagement in der Umsetzung nachhaltiger Architekturprojekte widmen zu wollen.
Die Arbeit von Trần Thị Ngụ Ngôn und Tropical Space, dem von ihr und ihrem Ehemann 2011 gegründeten Büro lobt die Jury auch in ihrem Statement: diese sei „definiert durch Klarheit und Kohärenz; es wird nicht versucht, ikonisch zu sein, um anerkannt zu werden, sondern strebe vielmehr eine sinnvolle Artikulation des Ortes an“. Weiters heißt es zu Tropical Space, es „rekontextualisiert allgegenwärtige, alltägliche Programme durch räumliche Innovation, angetrieben durch eine tiefgreifende Reaktion auf das tropische Klima.“
Die Jury erwähnt ebenso, dass Tropical Space durch seine „Positionierung innerhalb des architektonischen Mainstreams in Asien und die subtile Verschiebung seiner Grenzen gelingt, neue Modelle für die räumliche Praxis einzusetzen und eine Vision für die Zukunft zu entwerfen.“

Tran Thi Ngu Ngôn, die vietnamesiche Architektin ist die Preisträgerin des Divia Award 2025 Foto: Tran Thi Ngu Ngon
Premier Office
In ihrem Projekt des Bürogebäudes in Ho-Chi-Minh-Stadt verschmelzen traditionelle Materialien und Techniken zu einem Bau zeitgenössischer Anmutung. Eine durchlässige Ziegelfassade in Kombination mit beweglichen Paneelen und Glasschiebetüren sorgt für Schatten im Inneren und für natürliche Belüftung. Das 300 Quadratmeter große Premier Office inspiriert sich den alten Cham-Tempeln in Vietnam und ergänzt die konventionelle Bürotypologie durch offenes, umweltfreundliches Design. Der siebengeschoßige Baukörper in einem dichten Wohnviertel von Ho-Chi-Minh-Stadt konterkariert die dort typischen geschlossenen Glasstrukturen. Mit seinem zweischichtigen Fassadenaufbau – einer äußeren Ziegelwand, einer inneren Hülle aus Aluminium und Glas – wird natürliches Tageslicht und Belüftung maximiert, direkte solare Wärmeeinstrahlung, Energieverbrauch und CO₂-Emissionen hingegen reduziert. Einzelne Elemente der Ziegelwand sind um fünfundvierzig Grad gedreht, sodass Sonnenlicht gestreut wird und Beschattung sowie Abkühlung der einströmenden Luft erfolgt. Auch über den zentralen halbzylinderförmigen Innenhof wird nicht nur Tageslicht in das Innere des Gebäudes geleitet, sondern auch weitere Frischluft.

Termitary House
Der zweigeschoßige Wohnbau entstand in einem zum Zeitpunkt seiner Errichtung dünn besiedelten Viertel von Đà Nẵng. Der Grundriss ähnelt mit einem zentralen Raum, auf den alle Korridore, Galerien und kleinen Zimmer ausgerichtet sind, dem Bauplan eines Termitenhügels. Hinter perforierten doch an sich fensterlosen Ziegelwänden ermöglichen raumhohe Glasschiebetüren die Steuerung der Quer- und Dachlüftung. Komfort im Innenraum wird mit dem tropischen Klima im Freien in Einklang gebracht. Ein offenes Erdgeschoß, in dem Kochen und Essen im Mittelpunkt stehen, spiegelt den gemeinschaftlichen Lebensstil der Bewohner:innen wider. Über zwei gegenläufige Backsteintreppen wird der Zugang zum zweiten Geschoß, das durch perforierte Wände optisch mit dem zentralen Wohnbereich verbunden ist, gewährleistet. Die Architektin sieht ihr kostengünstig realisiertes Projekt, das auf einfaches Design mit dennoch hoher Ästhetik setzt sowie mit natürlichen regionalen Ressourcen sparsam umgeht, als möglichen Prototyp für einkommensschwache Familien.

Terrakotta Haus
2016 entwarf Tropical Space mit diesem kubischen Baukörper, das Atelier für den Terrakotta-Künstlers Lê Đức Hạ als offene. 2023 fertiggestellt erweitert das Werkstattgebäude einen bestehenden Komplex, in denen diverse Kunsthandwerker arbeiten und Besucher:innen zur Teilnahme an Aktivitäten eingeladen sind. Den Neubau wird von einer 5,4 Meter hohen Mauern in einen öffentlichen Bereich, in dem Keramikarbeiten besichtigt werden können, und in einen Werkstattbereich mit Stampflehmboden, der die natürliche Feuchtigkeit aufrechterhält, zweigeteilt. Schmale Öffnungen im Mauerwerk erlauben Einblicke in die Werkstatt. Zwischen beiden Wänden führt ein langer Gang zu einer zylindrischen Struktur aus Lochziegeln, in der der Ziegelbrennofen situiert ist. Die eingesetzten Ziegel wurden in benachbarten Dörfern hergestellt, und damit Baukosten sowie durch den Transport entstehende Emissionen reduziert. Die poröse Beschaffenheit der Ziegel absorbiert Feuchtigkeit und Wärme und trägt zum angenehmen Mikroklima im Inneren bei.

Seit seiner Gründung 2011 verpflichtet sich Tropical Space mit jedem Projekt, ungeachtet der Grenzen wie Gebäudetypologie, Maßstab und Standort, dazu, die ursprüngliche Schönheit der lokalen Rohstoffe zu respektieren, in Harmonie mit dem umgebenden Kontext und starker Verbindung zwischen Mensch, Gebäude und Natur.
Bis 23. November bietet eine Ausstellung „Time Space Existenc“ des European Cultural Centre im Palazzo Mora in Venedig, in den die Präsentation des Divia Awrds eingebettet ist, noch Einblick in das Schaffen der Architektin und ihres Büros Tropical Space sowie in die Arbeiten der diesjährigen Finalistinnen. Die Preisträgerin des ersten Divia Award im Jahr 2023 war die italienisch-peruanische Architektin Marta Maccaglia.