Fast zwei Millionen Menschen sind kriegsbedingt bereits aus der Ukraine in den Westen Europas geflüchtet. Eine lächerlich niedrige Zahl angesichts jener zu erwartenden hunderten Millionen Klimaflüchtlinge, die sich schon morgen auf den Weg nach Europa machen könnten, um sich vor den bevorstehenden verheerenden Auswirkungen einer voranschreitenden Klimakrise vermeintlich in Sicherheit zu bringen. Höchste Zeit zu handeln, heute.
Ein möglicher Weg, ist es mit sogenannter „Grüner Energie“ zu heizen. Der ETHouse Award, ein wichtiger Preis, hat sich seit seiner Gründung 2008 eben dies zur Aufgabe gemacht: durch die Auszeichnung energieeffizienter Sanierungen Möglichkeiten zur Nutzung fossiler Rohstoffe neu zu denken und diese durch alternative Systeme zu ersetzen. In keinem der für den ETHouse Award nominierten Bauwerke ist daher eine Gas- oder Ölheizung in Betrieb, sie untermauern damit die Mission des Auslobers, der Arge Quailtätsgemeinschaft Wärmedämmverbundsysteme, zur Schaffung energieeffizienter Architektur. Am 9. März 2022 wurde der ETHouse Award 2022 zum insgesamt 11. Mal vergeben.
Gleich zu Beginn ihrer Präsentation der Siegerprojekte brachte die Architektin und Juryvorsitzende Renate Hammer, ihre tiefe Betroffenheit angesichts der aktuellen Kriegssituation in der Ukraine zum Ausdruck – mit allen katastrophalen Implikationen humanitärer aber auch energetischer Natur. Und sie rief in Erinnerung, dass die Importe von Erdgas und Erdöl etwa aus Russland uns auch bewusst machen sollten, dass wir damit nicht nur unsere Wohnungen heizen oder kühlen, unsere Industrie am Laufen halten oder Mobilität ermöglichen, sondern damit indirekt auch dessen Kriegsmaschinerie und Militarisierung mitfinanzieren.
Ein erster Schritt auf dem Weg zur Bewältigung der Klimakrise ist also auch ein Umdenken der Baubranche. Denn angesichts des herrschenden Leerstands gewinnt die Überzeugung, den Bestand – vor allem jenen der Nachkriegszeit – zu sanieren und energetisch zu ertüchtigen, anstatt neu zu bauen, mehr und mehr an Bedeutung. Da es in Österreich, im Gegensatz zur Schweiz und einigen deutschen Städten bislang keinen verpflichtenden und einheitlichen Leerstandsmelder gibt, klaffen die Angaben zu leerstehenden Wohnungen in Österreich weit auseinander – zwischen 30.000 bis 100.000 wird geschätzt. Gründe für diese Brachen sind etwa Finanzierungsprobleme notwendiger Sanierungen, ebenso wie Spekulationen mit Mietobjekten. Trotz großer Nachfrage, vor allem in Großstädten, werden rund 1 Million Mietobjekte (lt. Wiener Wohnbauforschung (MA 50) 2015, Wien) nicht bewohnt oder genutzt. Die Stadt Wien beziffert den Leerstand in der Bundeshauptstadt mit rund 10.000 längerfristig bzw. dauerhaft nicht genutzten Objekten. Tatsächliche Zahlen liegen nicht vor. Die Dunkelziffer liegt daher wohl um einiges höher, denn oft handelt es sich hierbei um Nebenwohnsitze. Ein weiterer Faktor ist die fortschreitende Versieglung: 2020 wurden laut Statistik Austria insgesamt rund 625 Hektar Flächen neu bebaut, was etwa der stolzen Zahl von 875 Fußballfeldern entspricht.
Der ETHouse Award und die prämierten Projekte machen bewusst, dass wir angesichts bereits spürbarer Vorboten der Klimaerwärmung durchaus mögliche Alternativen kennen. „Etliche Projekte verbessern nicht nur konsequent die Gebäudeperformance im Sinne unserer Klimaschutzziele. Sie unterstreichen auch, wie relevant die Gebäudesanierung für eine gelingende Baukultur ist“, so Renate Hammer. Nicht nur aus gestalterischen Gründen, sondern vor allem auch durch die Verwendung nachwachsender Rohstoffe und umweltfreundlicher Energiequellen eröffnet sich hier ein reiches Feld für die Entwicklung und Erprobung neuer Materialien und Energiesysteme. Die eingereichten und ausgezeichneten Projekte des diesjährigen ETHouse Award zeigen jedenfalls, dass wir dazu längst in der Lage sind.
Seit der vom Club of Rome 1972 (!) veröffentlichten Studie zur Lage der Menschheit und Zukunft der Weltwirtschaft (Originaltitel: „The Limits to Growth. A Report for the Club of Rome’s Project on the Predicament of Mankind“), ist klar, dass wir nicht nur umdenken, sondern sofort agieren müssen. Der Bericht warnte schon damals vor den wirtschaftlichen Schwierigkeiten des 21. Jahrhunderts, wenn die Gesellschaft vor allem in Hinblick auf die Nutzung natürlicher Ressourcen nichts ändern würde. Angesichts der aktuellen politischen und wirtschaftlichen Entwicklungen ist es noch offensichtlicher, dass jegliche energetische Abhängigkeit von fremden Staaten keine dauerhafte Lösung sein kann.
Die Zeit drängt. Wenn wir unseren Planeten auch in Zukunft bewohnen wollen, müssen wir rasch handeln, und zwar jetzt.