Insgesamt 30 Jahre brauchte die Entstehung des heutigen Städtischen Friedhofs Roques Blanques inmitten des Naturparks Collserola in El Papiol, Barcelona. Konzipiert wurde die Friedhofsanlage 1981 in verschiedenen Phasen, als weitläufiger 122 Hektar großer Garten, der heute sieben Gruppen umfasst. Mit dem aktuell fertiggestellten neuen Abschnitt ist eine eindrucksvolle Naturlandschaft entstanden, die nunmehr auch ökologische Bestattungsmodelle anbietet.
Im Respekt vor Umwelt und Natur ergänzte man die Anlage im Sinne des Umweltgedankens mit dem neu angelegten Gräberabschnitt Nr. 6 auf einer Fläche von 8.600 Quadratmetern. Dieser neu gestaltete Bereich ermöglicht es nunmehr auch ökologische Bestattungsformen anzubieten, wobei die sterblichen Überreste als zu 100 Prozent biologisch abbaubar gelten.
Auf dem neu angelegten Gräberfeld konnten, nicht zuletzt auch Dank der markanten Geländeform mit Baumbestand aus Kiefern und Steineichen und im Respekt vor den natürlichen Gegebenheiten, etwa 1.500 Grabstätten entstehen.
Eine besondere Herausforderung lag darin, einen eine neuartige Friedhofslandschaft zu schaffen, die unter Bewahrung des existierenden Ökosystems rücksichtsvoll mit der vorgefundenen Landschaft umgeht und die für den Naturpark charakteristische Artenvielfalt schützt. So hat man die neu angelegte Gräbergruppe als einen Weg, der zum Wald führt, konzipiert und diesen durch eine weitläufige Wiese ergänzt, mit der man auf die einstige landwirtschaftliche Nutzung Collserola’s verweist.
Bauen mit der Natur
Baumstämme wurden so im Hang platziert, dass sie die Böschung terrassieren und als Stützmauer einen vertikalen Garten ermöglichen. Ergänzt wird mit einer großen grünen Wiese, die genügend Fläche für neue Gräber bietet. Im Einklang mit dem Baumbestand und unter Einsatz natürlicher Materialien aus der Umgebung wurde der existierende Bewuchs durch lokale Pflanzenarten ergänzt.
Die so errichtete 1,5 Meter hohe, 304,5 Meter lange und 2 Meter breite Stützmauer wird von einem 2 Meter breiten Weg begleitet. Die als Krainermauer bekannte Stütztechnologie, die oft als „lebendes Netz“ bezeichnet wird, kombiniert tote und lebende Materialien. Indem sie den Abbau toter Elemente (Baumstämme) mit den Wurzeln, wachsender lebender Elemente (Sträucher und Büsche) verbindet, verändert sich die Struktur selbst im Laufe der Zeit. Eine der Natur immanente Dynamik, die an den Lebenszyklus erinnert und an diesem Ort naturgemäß auf die Vergänglichkeit verweist.
Bauen für die Natur
Die Stützmauer eignet sich mit den unterschiedlichen reich blühenden Pflanzenarten ideal als „Schmetterlingsgarten“, der zahlreichen Insekten einschließlich Schmetterlingen einen adäquaten Lebensraum bieten soll. Bei der Gestaltung der Mauer wurde etwa auch dessen Ausrichtung und auf entsprechenden Schutz vor Witterung, einschließlich starkem Wind, geachtet. So verwandelt sich der Bereich in einen geschützten und intensiv besonnten Raum, der das ganze Jahr über eine langanhaltende und üppige Blütenpracht auch der Tierwelt Nahrung und Schutz bietet. Um Schmetterlingen anzuziehen, pflanzte man Sträucher und Staudenarten von besonders guter Qualität mit möglichst heller, kontrastreicher Blüte. Ausgewählt wurden dabei vor allem einheimische, gut an die örtlichen Gegebenheiten angepasste Pflanzen, die an mediterranen Bewuchs erinnern.
Durch den „Schmetterlingsgarten“ hofft man die biologische Vielfalt zu fördern und möchte gleichzeitig eine Art Lehrpfad einzurichten, der die Beobachtung und Untersuchung von lokalen Insekten- und Pflanzenarten unterstützen soll.
Der Kreislauf der Natur
Das Gesamtkonzept der Anlage folgt dem „Cradle to Cradle“-Prinzip. Das vom Chemiker Michael Braungart gemeinsam mit dem US-amerikanischen Architekten William McDonough im Jahr 2002 entwickelte Konzept, was so viel wie „Von der Wiege zur Wiege“ bedeutet, orientiert sich an der Natur; denn biologische Kreisläufe hinterlassen keinen Abfall. Ausserdem regeneriert das Friedhofsprojekt den bestehenden Wald und reaktiviert das Leben im Naturpark. Diese Intervention hat einen sehr spezifischen Nutzen und ist vorerst für eine Nutzungsdauer von etwa 30 Jahren vorgesehen. Nach dem Ablauf dieser Zeitspanne soll sie in den ursprünglichen Zustand des Waldes zurückkehren.
Technische Daten
Roques Blanques Friedhof, Collserola Naturpark, Barcelona
Ort El Papiol, Barcelona
Architektur und Landschaftsarchitektur
Batlleiroig Arquitectura, Barcelona.
Enric Batlle Durany, Joan Roig i Duran, Iván Sánchez Fabra
Konsulenten
Berater Bioengineering und Landschaftssanierungstechniken: Naturalea
Umweltberatung: Cave Terram
Berater Naturschutz und Umweltbewusstsein: WorldNature
Bauunternehmen: Naturalea, Excavacions Petit, Santin Jardineria i Paisatge
Errichtungszeitraum 2017 – 2020
Gesamtfläche 8.909 m2
Auszeichnungen WAF-Landschaft des Jahres 2021, Premis Catalunya Construcció 2018
Über Batlleiroig
Das 1981 von Enric Batlle und Joan Roig gegründete Architekturbüro Batlleiroig mit Sitz in Barcelona verfügt über ein multidisziplinäres Team, das die Bereiche Planung, Landschaftsgestaltung und Architektur vereint und sich unter Einbeziehung von mehr als 130 Fachplanern auf die Zukunft der Stadt fokussiert. Seit seiner Gründung setzt sich das Büro für die Umwelt ein und beteiligt sich intensiv am Diskurs über Landschaft, Natur und die Suche nach Lösungen für die Klimakrise unseres Planeten.