Von einer außergewöhnlichen Frau im barocken Rom erzählt der Roman „Die Villa der Architektin“ von Melania Gaia Mazzucco, der nun in deutscher Übersetzung erschienen ist.
Im Rom des 17. Jahrhunderts ist Plautilla Bricci (1616-1705) eine Ausnahmeerscheinung. Während Frauen traditionell meist im Verborgenen leben und ihnen vor allem die Aufgabe zukommt, sich der Familie und den Kindern zu widmen, malt die dreizehnjährige Plautilla bereits ein Altargemälde. Ihr Vater, selbst Künstler, hatte das Wunderkind mit den Künsten vertraut gemacht. Er ist es auch, der sie lehrt, an das scheinbar Unmögliche zu glauben. Und Plautilla wird nicht nur Malerin und als solche Ehrenmitglied der 1577 gegründeten Künstlervereinigung Accademia di San Luca, sondern die erste Frau, die einen prachtvollen Palazzo, die römische Villa Benedetta auf dem Gianicolo, plant und errichtet.
Eine Ausnahmeerscheinung
Sie gilt als erste Architektin der Geschichte. Von dieser außergewöhnlichen Frau im barocken Rom erzählt „Die Villa der Architektrin“ von Melania G. Mazzucco. In diesem historischen Roman schildert die italienische Autorin das Rom des 17. Jahrhunderts mit seiner prachtvollen Kunst, überbordendem Prunk und bedrückendem Elend in seiner ganzen Widersprüchlichkeit. Es ist auch jene Zeit, in der die Stadt einen regelrechten Bau-Boom erlebt und wächst.
Frauen mussten in dieser Zeit still, unsichtbar und sittsam sein, wie Mazzucco erzählt. Diesem archaischen Rollenbild sucht die Römerin Plautilla Bricci zu entkommen, und wird zur absoluten Ausnahmeerscheinung, denn sie ist die erste Frau, die den Beruf des Architekten praktizierte.
Abt Elpidio Benedetti, mit dem Bricci eine Freundes- und Liebesbeziehung pflegte, war Kunstagent des Kardinals Jules Mazarin und später Ludwig XIV., und erteile ihr mehrere Aufträge. Es war Benedettis Hilfe, die es ihr erlaubte, sich als Architektin verwirklichen zu können: So durfte sie etwa in der Kirche San Luigi dei Francesi unweit der Piazza Navona eine barocke Kapelle gestalten. Ihr wichtigstes Werk als Architektin ist aber die 1663 entstandene nicht mehr erhaltene Villa Benedetta in Trastevere, die wegen ihres Erscheinungsbildes den Spitznamen „Il Vascello“ (Das Schiff) erhielt und während der französischen Belagerung Roms 1849 zerstört wurde.
L‘architettrice
Auch ihre selbstgewählte Berufsbezeichnung inmitten eines traditionell Männern vorbehaltenen Tätigkeitsfeldes, zeigt ihr Selbstbewusstsein. In einer Urkunde über die Villa Benedetta ist Briccis Wortneuschöpfung „architettrice“ zu lesen – die von ihr erdachte weibliche Form eines üblicherweise im Maskulinum eingesetzten Wortes für Architekt, das es damals nicht in der weibliche Form gab.
Plautilla Bricci war „weder Ehefrau, noch Nonne, noch alte Jungfer im Hause der Familie, sondern römische Signora, erste Universalkünstlerin und unabhängige, ‚freie‘ Frau“, so der Kurator der ersten 2022 im Palazzo Corsini in Rom Plautilla Bricci gewidmeten Personale „Una rivoluzione silenziosa, Plautilla Bricci pttrice e architettrice“. Mazzucco führt die Leser:innen durch ein heute kaum mehr vorstellbares Rom: Eine unerbittliche Stadt mit Glanz, Intrigen, Gewalt und Elend. Man erfährt vieles über Sehenswürdigkeiten, die heute zu den überlaufenen Tourismus-Hotspots zählen. Mazzucco erzählt von den damaligen Umbauarbeiten des Petersdoms oder den Überlegungen, im Zentrum Roms eine gewaltige Treppe zu bauen, die wir heute als Spanische Treppe kennen. Aber vor allem gelingt es ihr, der lange vergessenen Plautilla Bricci ein literarisches Denkmal zu setzen.