Der US-amerikanische Ausnahmekünstler Theaster Gates erhielt den Friedrich Kiesler-Preis 2021. Die Preisverleihung fand Pandemie-bedingt im Juni 2022 statt.
Eine hochkarätig besetzte Jury hatte vergangenen September Theaster Gates zum Preisträger des 12. Österreichischen Friedrich Kiesler-Preises für Architektur und Kunst gekührt: Theaster Gates, der 1973 in Chicago geboren wurde, ist Bildhauer, Keramiker und sozialer Innovator und sein Werk somit besonders facettenreich. Seine Aufmerksamkeit gilt Themen der Raumplanung, Revitalisierung oder Reaktivierung von Gebäuden ebenso wie dem Community-Building anhand ambitionierter kultureller Projekte und der Bewahrung Schwarzer Kultur in Amerika. Seine kulturellen Projekte, die meist auf lange Zeiträume ausgerichtet sind, sind allesamt darauf ausgerichtet, soziale, politische oder künstlerische Veränderungen anzustoßen. Seine Non-Profit-Organisation Rebuild Foundation in Chicago, begründete seine Bekanntheit. Verlassene Räume und Gebäude im Süden der Stadt werden zu einem kulturellen Ort für die Nachbarschaft. Jüngst eröffnete der von Theaster Gates gestaltete Serpentine Pavillon im Londoner Hydepark. Seinen Arbeiten sind in wichtigen internationalen Museen und Ausstellungen präsent, u.a. auf der documenta 13 in Kassel und im Haus der Kunst, München (D), in der National Gallery of Art, Washington DC und dem Walker Art Center, Minneapolis (USA), im Palais de Tokyo, Paris (F), im Kunstmuseum Basel (CH), in der Fondazione Prada, Mailand (I) oder dem Kunsthaus Bregenz (AT).
Theaster Gates Werk basiert auf seinen Studien in den Bereichen Stadtplanung, Keramik, bildender Kunst und Religionswissenschaften. Seine Praxis ist auch von seinem Aufenthalt, nämlich Kapstadt, Südafrika, geprägt, wo er Religion und bildende Kunst studierte, ebenso wie von seinem Studium der Töpferkunst und Keramik in Tokoname, Japan.
Feierliche Übergabe
Am 15. Juni konnte die ursprünglich für Herbst 2021 angesetzte und wegen der Covid-Pandemie auf 2022 verschobene Preisverleihung stattfinden: Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler übergab den Preis im Rahmen einer feierlichen Veranstaltung im Auditorium der Universität für angewandte Kunst Wien an Theaster Gates.
„Räume und Plattformen, die die Leistung Schwarzer Künstler:nnen und Designer:innen hervorheben, wurden lange Zeit übersehen. Projekte, die den Menschen ebenso beachten wie die Implikationen einer gebauten Form, verdienen Anerkennung. Ich bin sehr dankbar, Teil dieses beispielhaften Prozesses zu sein, und dankbar, dass das Auswahlkomitee meine Arbeit als einen Teil in der Reihe von herausragenden Persönlichkeiten anerkennt, die diesen Preis in der Vergangenheit erhalten haben. Mein Dank gilt all jenen, die meine Arbeit sowohl in den Museen als auch auf der Straße unterstützt haben,“ so Theaster Gates zur Verleihung des Preises.
„Theaster Gates versteht es, seine Kunst als Vehikel zu benutzen, das Prozesse anstößt und ermöglicht. Mit dem Schaffen von sozialen, kulturellen und architektonischen Räumen für die Zivilgesellschaft wirkt er nachhaltig in die Stadt und ihre Strukturen hinein, sodass ein gutes Leben für alle Bewohner:innen ein Stück realer wird“, betonte Wiens Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler, die den Preis übergab. „Es freut mich, dass der nach dem visionären Architekten Friedlich-Kiesler benannte Preis einen Künstler auszeichnet, der seine vielfältige künstlerische Praxis für den notwendigen urbanen und gesellschaftlichen Wandel einsetzt“, schloss sie.
Elke Delugan-Meissl, Präsidentin der Österreichischen Friedrich und Lillian Kiesler-Privatstiftung, freut sich über die Entscheidung für den Künstler: „Für die Kiesler Stiftung ist es eine besondere Ehre, dass Theaster Gates den Preis erhält. Es ist eine mehr als schlüssige Wahl, verknüpft er doch in seiner Arbeit ästhetische Werte mit einer sozialen Agenda, deren Verbindung auch das Werk Friedrich Kieslers prägten und zu ganzheitlichen und bis in die Gegenwart wirkenden Ergebnissen führten. Theaster Gates bringt scheinbar mühelos verschiedene Disziplinen wie die Architektur und Raumplanung, Malerei und Skulptur, Musik und Film mit gesellschaftlichen Anliegen zusammen. Seine Arbeiten zeigen, wie Spielräume des Handelns und Gestaltens wieder gewonnen werden können“.
Entscheidung der Jury
„Die Jury freut sich, den diesjährigen Kiesler-Preis an Theaster Gates, einen in Chicago lebenden Künstler, Aktivisten und Kulturimpresario, zu vergeben. Seine künstlerische Praxis umspannt verschiedene Genres der Kunst und verbindet sie mit einer sozialen Agenda. Gates‘ außergewöhnliche Leistungen lassen sich mühelos mit Friedrich Kieslers künstlerischen Konzepten und seiner experimentellen Haltung in Verbindung bringen, in Richtung der Vereinigung aller Künste mit der gebauten Umwelt und einer sozialen Vorstellung von Raum.
Räume und Plattformen, die die Leistung schwarzer Künstler:innen und Designer:innen hervorheben, wurden lange Zeit übersehen. Projekte, die den Menschen ebenso beachten wie die Implikationen einer gebauten Form, verdienen Anerkennung.
Theaster Gates
Mit seiner Rebuild Foundation verschmilzt Gates Kulturgeschichte und Gemeinschaftsbildung, indem er im wahrsten Sinn des Wortes Ruinen in etwas Neues verwandelt. Er komponiert Materialien, Räume und Aktivitäten mit einer ganzheitlichen Sensibilität sowohl für das Große und Ganze als auch für das Detail. Er nutzt seine Position in der Kunstwelt und als Akademiker, er vereint Fördermittel, Forschung und seine Verbindungen zur Politik, um Veränderungen zu bewirken. Er korreliert Kunst, Architektur und uneigennützigen Unternehmergeist – vor allem aber ist er jemand, der ein Problem in der Welt erkennt, Herausforderungen annimmt und einen gesellschaftlichen sowie urbanen Wandel bewirkt.
Mit Theaster Gates würdigt die Kiesler-Preis-Jury einen Konzeptkünstler, der nicht innerhalb des etablierten Systems der Architektur und der Kunstwelt agiert, sondern durch eine sehr ungewöhnliche und eigenwillige Praxis zu Handlungsmacht gefunden hat. Sein künstlerischer Ansatz zeichnet sich durch Transdisziplinarität, Respekt, Inklusion und partizipative Prozesse aus. Das wichtigste Ziel seiner Arbeit ist sozialer Wandel, räumliche Transformation und Ermächtigung.
Indem er seine Arbeit sowohl mit einem beeindruckenden ästhetischen Wert als auch mit einer sozialen Agenda ausstattet, hat er für die heutige Architektur eine sinnstiftende Rolle gefunden. So verbindet Theaster Gates die historische Position Friedrich Kieslers mit den drängenden Fragen unserer Zeit.“
Die Macht der Sprache
Anlässlich der Preisverleihung sind in den Räumlichkeiten der Kiesler Stiftung (Mariahilfer Straße 1b) eine Videoinstallation und analoge Prints von Theaster Gates zu sehen. Der Film „Public Notice“ sowie die analogen Prints „Landed: Gates et al.“, die für die Chicago Architecture Biennial 2019 entstanden sind, werden nun in adaptierter Version in Wien gezeigt. Das Video zeigt zumeist verlassene Räume und Gebäude in der Stadt Chicago, die durch Gates‘ Arbeit transformiert und revitalisiert werden konnten. Historisches Material, Dokumente und Interview-Sequenzen zeigen u.a. die Bedeutung der Macht der Sprache für die Veränderungen von Räumen sowie die hiermit verbundene Rolle von Künstler:innen, Stadtentwickler:innen und Bürger:innen.
Zum Friedrich Kiesler-Preis
Der Österreichische Friedrich Kiesler-Preis für Architektur und Kunst, einer der höchstdotierten internationalen Preise auf diesem Gebiet, wurde 2021 zum 12. Mal ausgelobt.
Der Würdigungspreis, der mit mit 55.000 Euro dotiert ist, dient zur Anerkennung der zukunftsweisenden Arbeit des 1890 in Czernowitz geborenen und 1926 in die USA ausgewanderten Künstlers, Designers, Bühnenbildners und Architekten Friedrich Kiesler (1890–1965).
Mitglieder der Jury waren: Elizabeth Diller (Diller Scofidio + Renfro, New York), die Juryvorsitzende Bettina Götz (ARTEC Architekten, Wien), Dominique Gonzalez-Foerster (Paris), Anab Jain (Superflux, London sowie Universität für angewandte Kunst Wien) und Wolfgang Tschapeller (Wolfgang Tschapeller ZT GmbH sowie Akademie der bildenden Künste Wien).
Vergabe und Dotierung des Preises erfolgen abwechselnd alle zwei Jahre aus Mitteln der Republik Österreich sowie der Stadt Wien in Organisation mit der Österreichischen Friedrich und Lillian Kiesler-Privatstiftung mit Sitz in Wien. Der nächste Friedrich Kiesler-Preis wird im Jahr 2024 verliehen.
Die Ausstellung in der Kiesler Stiftung ist bis 1. Oktober zu sehen.