Eine Folge des Anschlusses Österreichs an das Deutsche NS-Reich am 12. März 1938 war die Auflösung der bestehenden Kunstvereine und die gesetzliche Auflage, einer zur Berufsausübung gesetzlich verpflichtenden Mitgliedschaft aller Kühnster:innen in der Reichskammer der bildenden Künstler (RdbK). Menschen jüdischer Herkunft, politisch Andersdenkende und Vertreter der künstlerischen Avantgarde war die Aufnahme verwehrt.
Das Wien Museum MUSA zeigt mit „Auf Linie. NS-Kunstpolitik in Wien“ noch bis zum 24. April in einer sehr karg inszenierten, gestalterisch an der räumlichen Situation eines Kunstlagers und Archivs erinnernde Schau. Zu sehen ist eine ganze Reihe von Mitgliederakten und Exponaten aus dem Archiv, die sich erhalten haben und eine Zeitzeugen-Aufgabe übernehmen.
Von rund 3.000 Künstlerinnen und Künstlern sind entsprechende Unterlagen erhalten, und wurden für die Ausstellung erstmals in einem umfassenden Kontext erforscht. Viele Werke dieser Künstler aus der NS-Zeit liegen auch in den Depots der Wiener Museen.
Die Kurator:innen Ingrid Holzschuh und Sabine Plakolm-Forsthuber geben anhand einer Auswahl von Kunstwerken und Archivdokumenten einen Einblick in die politische Machtstrukturen, Abläufe und entsprechende Netzwerke ebenso wie in die nationalsozialistische künstlerische Haltung und Propagandakunst jener Zeit. Die Vorgangsweise des Wiener Kulturamtes als wichtiger Auftraggeber und Initiator der Entstehung NS-konformer Kunst sowie das Schaffen der auserwählten „Gottbegnadeten“ Kunstschaffenden wird vorgestellt.
Kritisch hinterfragen
Man begegnet u.a. Namen wie Josef Hoffmann, Oswald Haerdtl, Carl Auböck und kann an den zugehörigen Tafeln mit biografischen Daten zwar deren Tätigkeitsbereiche und einige Funktionen ausmachen, oder erkennt dass hier jeweils eine Mitgliedsnummer des RdbK vergeben wurde und keine NSDAP-Parteimitgliedschaft bestand, bleibt aber doch sehr alleine damit, was dies dann letztlich für die berufliche Tätigkeit von Künstler:innen und Architekt:innen bedeutet haben mag. Ein wenig mehr in die Tiefe gehende, inhaltliche Erläuterungen und Zusammenhänge würde die Bedeutung der Forschungsergebnisse in ihrer Wichtigkeit unterstreichen und entsprechend hervorheben – und wäre für ein nachhaltiges Verständnis des Gesehenen durchaus hilfreich.
In sieben Kapitel geteilt, wird die NS-Kunstpolitik in Wien präsentiert.
Anhand originaler Objekte und Dokumente möchte man an neun Einzelschicksalen exemplarisch die Folgen der damaligen Gleichschaltung nachzeichnen. Die Ausstellungsbesucher können sich selbst in der Datenbank der erstmals öffentlich gemachten Mitgliedsakten der Reichskammer auf die Suche nach Künstler:innen begeben. Und ein Blick auf die Situation nach 1945 erlaubt es, künstlerische und personelle Kontinuitäten kritisch zu hinterfragen.
Gerade im Hinblick auf die abwechslungsreichen Sammlungsbestände des Wien Museums und auf die zurzeit noch laufende Sanierung des Oswald-Haerdtl-Baus am Karlsplatz, ermöglicht die Ausstellung auch dem Hause selbst eine Auseinandersetzung mit der eigenen institutionellen Geschichte. Die Ausstellung findet in Kooperation mit der Berufsvereinigung der bildenden Künstler Österreichs, Landesverband für Wien, Niederösterreich, Burgenland statt.
Vom 23. bis 25. März 2022 befasst sich die Veranstaltung „Unter Verschluss? Zum Umgang mit NS-Kunst in Museen“, eine Kooperation von Museumsakademie Joanneum und Wien Museum.
Bis 24. April 2022
www.wienmuseum.at