23 Jahre lang lehrte Hans Puchhammer an der TU Wien. Im Laufe der Bürogemeinschaft mit Gunther Warik und später im Alleingang entstanden zahlreiche gebaute und einige ungebaut gebliebene Projekte. Sein eigenes Architekturbüro hat er mittlerweile erst vor kurzem geschlossen und ist somit seither eigentlich in Pension. Langeweile? Mitnichten. Wenn er nicht gerade zu seinen drei Kindern und deren Familien bis nach Kanada unterwegs ist, Konzerte besucht und über die Akustik der Aufführungsorte reflektiert, Wettbewerbe juriert, als Konsulent diverser Bauvorhaben zur Verfügung steht oder für den Denkmalbeirat Gebäude bewertet, dann ist er dabei, mit Papier und Aquarellfarben weltweit die Grundlagen der westlichen modernen Baukunst zu erforschen. Und er ist ein unermüdlich Fragender geblieben.
Christine Müller im Gespräch mit Hans Puchhammer
Vergangenes Jahr feierten Sie Ihren 80. Geburtstag, heuer wird Ihnen der Große Kulturpreis des Landes Oberösterreich für Architektur übergeben.
Eine echte Überraschung, ich dachte, diesen Preis ja bereits vor 30 Jahren erhalten zu haben. Ein glücklicher Zufall, dass ich wohl gerade im richtigen Alter bin. Mich freut es. Man denkt natürlich nach, wieso man so etwas kriegt, was man Relevantes für das Land Oberösterreich getan hat? Und das sind ja dann doch ein paar Sachen, die man gebaut oder erreicht hat, etwa im Denkmalbeirat, dass bedeutende Gebäude nicht abgerissen wurden.
Obwohl Sie Ihr Büro geschlossen haben, scheint es, als kennten Sie keine Langeweile.
Wenn man seine Bürotätigkeit abschließt, wird man natürlich zu einer Art Neutron. Aber es wird doch Wert auf die Expertise gelegt, die man aufzuweisen hat. So bin ich etwa auch als Juror bei Wettbewerbsverfahren und als Konsulent gefragt.
In Ihrer aktiven Zeit als planender Architekt haben Sie eine durchaus stolze Anzahl von Bauten realisiert. Es fällt auf, dass zwar nicht alle Musikbauten sind, aber in vielen davon geht es doch letztlich um Akustik.
Ja, denn in kleineren Gemeinden, wo die Finanzen beschränkt sind, muss es letztlich um Mehrzwecknutzung gehen. Und in diesen Bauten darf man dann auch die Akustik nicht vernachlässigen. Dazu gehören zum Beispiel der Turnsaal in Lambach, das Veranstaltungszentrum Gunskirchen, der Turnsaal der Volksschule Timelkam, die auch bestens angenommen werden – das freut einen dann schon.
Architekt zu sein ist ein mörderischer Beruf. Es gibt keinen Rechtsanwalt, Arzt oder Notar, der sich in ein Wettbewerbsverfahren hineintreiben lässt. Aber es ist dennoch die richtige Methode.
Hans Puchammer
Sie waren eine Funktionsperiode lang Vorsitzender des Denkmalbeirats. Hat der Funktionsverlust mancher Bauten, sei es auch aus bautechnischen Gründen, keinen Einfluss auf die getroffenen Entscheidungen?
Im Verfahren um die Sophiensäle etwa hatte ich den Vorsitz inne. Kurz nach dem Brand war das Gebäude ja noch in einem ganz brauchbaren Zustand. Vor allem der große Ballsaal galt in der Musikszene als bester Platz für qualitätsvolle Aufzeichnungen von Musikdokumenten. Er hatte eine fantastische Akustik. Sowohl Böhm wie Karajan wollten damals nur dort aufnehmen. Aber das Bauwerk hat eben auch eine wichtige historische Bedeutung. Denkmalsschutz bezieht sich auf jene Bauten, die entweder ästhetisch oder aber in der Geschichte eines Landes von Bedeutung sind und einen hohen Stellenwert haben, selbst wenn sie mittlerweile von ihrer ursprünglichen Nutzung abweichen.
Und dann gibt es Eingriffe in historische Bauten, die fast unbemerkt bleiben, wie im Wiener Konzerthaus.
Ich habe mich da am Ursprung orientiert, unter Berücksichtigung heute notwendiger technischer Ausrüstung. Lüftungsanlagen wurden so eingebaut, dass bei höchstem Standard nicht die musikalische Darbietung stören und die Gestaltung der historischen Säle nicht beeinträchtigen. Wenn man die Zutaten, die technisch erforderlich sind, nicht behübscht, ist das okay. Es gilt dabei vor allem, die Authentizität des bestehenden Gebäudes zu berücksichtigen.
Das Konzerthaus zeigt gut, wie man sich als Architekt zurücknehmen kann.
Zwar kann man meine Eingriffe ganz genau ablesen, aber ich wollte mit großer Sorgfalt die alten Proportionen aufnehmen, zum Teil auch farblich in den Bestand integrieren. Nun entspricht der Glanz des alten Messings halt jenem des neuen Chromnickelstahls. Das Glitzern ist da, und beides verträgt sich ganz gut.
Hätten Sie nicht gern ein weithin sichtbares Zeichen hinterlassen?
Mir war es immer wichtig, mich nicht selbst zu inszenieren, sondern wirklich das genetische Potenzial eines Gebäudes zu entdecken und es in seinem Sinn weiterwachsen zu lassen, nichts anderes. Besondere Bedeutung hat diese Haltung meiner Meinung nach, wenn man mit einem qualitativ hochwertigen Bau zu tun hat. Das Konzerthaus etwa ist eine Meisterleistung der Architekten Fellner & Helmer, wahrscheinlich einer ihrer bester Bauten.
Lange Zeit regelte die Direktbeauftragung Bauaufgaben dieser Größenordnung, heute gibt es Wettbewerbsverfahren.
Der Architekturwettbewerb ist trotz aller Schwierigkeiten, die er in sich birgt, ein wichtiges Instrument, das es erlaubt, dass neue Ideen entstehen, sich junge Leute profilieren können.
Aber die kostenintensive Teilnahme allein ist ja noch keine Garantie auf den Gewinn.
Architekt zu sein, ist halt ein mörderischer Beruf. Es gibt keinen Rechtsanwalt, Arzt oder Notar, der sich in ein Wettbewerbsverfahren hineintreiben lässt. Bei denen kostet es in jedem Fall Geld. Aber es ist dennoch die richtige Methode. Und die Österreicher schneiden weltweit nicht schlecht ab. Die heimische Architekturausbildung scheint somit durchaus nicht schlecht zu sein.
Sie waren lange genug Professor an der Technischen Universität Wien. Wie steht es denn heute mit dem Praxisbezug in der Ausbildung?
Die Schule war eine Zeitlang darauf ausgerichtet, vor allem Eyecatcher zu produzieren. Aber es scheint, als würde es heute wieder vermehrt darum gehen, dass der Konstruktion wieder ein hoher Stellenwert zukommt. Gute Ideen wollen auch entsprechend umgesetzt sein.
Ihr Vater war Baumeister und Zimmermeister. So hatten Sie von Beginn an einen starken Bezug zur Praxis?
Ich bin da ein Paradebeispiel. Mein Vater war Baumeister am Lande und machte alles. Er wusste, was benötigt wird, war in das Leben integriert. Wusste, dass man seine Arbeit gut machen muss, damit die Kunden wiederkommen. Aber auch, dass sie dankbar sind, wenn man gute Arbeit leistet. Mein Vater wusste, dass die Dinge, die man macht, beständig sein müssen.
Das sollte eigentlich doch auch heute noch gelten, auch für Architekten.
Man lernte, fest auf zwei Beinen zu stehen. Es ist durchaus nichts Schlechtes, das Bauen aktiv zu erlernen. Ich habe damals eine Maurer- und Zimmermannslehre abgeschlossen. An der HTL, an die ich 1945 ging, musste man Praxis nachweisen und auch in den Ferien arbeiten. Am Ende eines Arbeitstages war man dann hundemüde, aber auch beglückt, wenn man seine Arbeit ordentlich gemacht hatte. Eine durchaus gute Erfahrung.
War es schon damals für Sie klar, Architektur zu studieren, oder hätten Sie den väterlichen Betrieb übernehmen sollen?
Das war als Ältester natürlich klar. Da gab es die Baumeisterei, die 1927 aufgebaut worden war, mit Onkel, Vater und dessen Bruder. Daher ging ich auch auf die HTL. Aber um ein ordentlicher Baumeister zu sein, brauchte man auch mehr Wissen. So stand fest, dass ich nach Wien gehen sollte. Was aber mein Vater nicht wusste, war, dass ich Architektur inskribierte und nicht, wie er glaubte, Bauingenieurwesen. Bemerkt hat er es, als er meine Aktzeichnungen gesehen hat und nicht verstand, wozu man das beim Ingenieurstudium brauchen sollte. Er hat meine Wahl aber dann toleriert.
Mir war es immer wichtig, mich nicht selbst zu inszenieren, sondern das genetische Potenzial eines Gebäudes zu entdecken und es in seinem Sinn weiterwachsen zu lassen, nichts anderes.
Hans Puchhammer
Der Titel Ihres Buches lautet „Bauen kann Architektur sein“. Was kann es noch sein?
Na, vor allem keine Architektur, wenn man sich nicht bemüht, das ordentlich zu machen. Für mich ist professionelle Redlichkeit wichtig, um eine übertragene Aufgabe so gut wie möglich auszuführen, mit allem technischen Wissen, und dies nicht als Auftrag zur Selbstinszenierung zu sehen. Das tun leider viele. Die tolle Geste, die Eyecatcher haben in Österreich stets Hochsaison.
Sie sagten: „Bauen kann Architektur sein“. Was macht Architektur denn aus?
Eine gewisse Normalität gehört dazu. Es hat zu tun mit der Schaffung von Räumen und Zwischenräumen, mit Rücksichtnahme auf die Umgebung und damit, sehr präzise darauf zu reagieren. Vor allem die Berücksichtigung historischer Bausubstanz halte ich für ganz wichtig, einen Dialog zwischen Alt und Neu einzugehen. Wenn irgendjemand ein zweites Gebäude neben ein anderes gestellt hat, gibt es diesen Dialog oder eben nicht, weil sich die zwei nicht mögen. Es kommt auch vor, dass sich Häuser nicht mögen. Und auf so einem Platz hält man sich nicht gern auf. Architektur hat auch einen kulturellen Hintergrund zu reflektieren. Melnikov hat gesagt: „Der Architekt hat die Aufgabe, die Bühnen zu schaffen, auf denen die Menschen auftreten.“ Und das gilt vom Eingangsbereich bis zum Klo. Leider gibt es viele Dinge, die das nicht erlauben, dazu zähle ich auch mangelhafte Akustik vieler Bauten. Viele Räume werden totgedämpft, sodass nur mehr über Elektroakustik agiert werden kann. Jede feine Nuance der Musik geht dadurch verloren. Hierzu gehört auch, dass man in einem Bau nicht unter Hitze oder Kälte leidet und genügend Frischluft vorhanden ist.
Sie gehen immer wieder auf Reisen und zeichnen viel. Wäre das nicht auch für Studenten die perfekte Art und Weise, fremde und frühere Bautechniken kennen zu lernen?
Natürlich. Etwa von den arabischen Häusern können wir schon einiges lernen, wie im Jemen von Bauten mit 25 Metern Höhe, die zugleich ganz großartige Klima- und Belüftungsanlagen sind, sodass ein geringer Aufwand an Energie benötigt wird. Wir verschwenden heute Energie, um Klimaanlagen zu betreiben, weil Häuser keinen Sonnenschutz haben oder an der falschen Seite. Die Membran zwischen außen und innen gehört genau betrachtet, das alles ist Architektur.
Also technisches und konstruktives Wissen vereint.
Ja, es bedarf einer gewissen Demut und Sorgfalt, weil man sich hinsetzen muss, um zu lernen, wie das geht. Dazu kann man alte Städte aufsuchen und diese zeichnen, denn das zwingt einen, genau hinzuschauen.
Öffentliche Auftraggeber setzen mehr und mehr günstige 08/15-Bauelemente ein, denn spezielle Sonderlösungen bedeuten oft Mehrkosten.
Einen Bau muss man über einen längeren Zeitraum betrachten, denn die Erhaltungskosten etwa einer Fassade sind auch zu berücksichtigen. Die Energiekosten eines Gebäudes sind unser Problem, und die werden immer teurer, weil es natürlich eine geschenkte Ressource ist.
Sollten nicht alle Architekten mehr mit der Hand zeichnen?
Ja, denn es ist viel einfacher, vom Hirn über die Hand etwas aufs Papier zu bringen als einen Computer überlisten zu müssen. Und dabei lernt man sehr viel.
Was denken Sie über den Städtebau in Wien?
Ich finde es ganz gut, dass die Leute vom Weltkulturerbe der Unesco, Icomos sich da einmischen, wenn auch Kunsthistoriker allein nicht ausreichen. Eine Stadt ist ein tolles komplexes Gebilde mit sozialen Strukturierungen. Die Bauspekulation, bei der die Stadt oft willfährig mittut, Eyecatcher und Monumente irgendwo hinzusetzen, all das ist gefährlich. Die Rechnerei mit den Quadratmetern kann’s auch nicht sein. An sich ist man in der Stadt Wien schon feinfühlig, aber es muss Leute geben, die sagen, wie es geht und wie es nicht geht, und dazu braucht es Jurien, die sich wehren.
Hans Puchhammer
geboren 1931 in Wels, Oberösterreich
1949–1956 Architekturstudium an der Technischen Hochschule Wien 1957–1964 Assistent am Institut für Hochbau für Bauingenieure der Technischen Hochschule Wien
1978–1994 Ordinarius für Hochbau und Entwerfen an der Architekurfakultät der TU Wien
1950–1954 Mitarbeiter bei Roland Rainer
Seit 1956 freischaffender Architekt
1961–1980 Büropartnerschaft mit Gunther Wawrik
1998–2033 Vorsitzender des Denkmalbeirats im Bundesdenkmalamt
Preise:
1978 Preis der Stadt Wien für Architektur
1981 Kulturpreis des Landes Oberösterreich für Architektur 2004 Österr. Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst 1. Klasse 2012 Großer Kulturpreis des Landes Oberösterreich, Mauriz-Balzarek-Preis für Architektur
Projekte (Auswahl)
1983 Adaptierungen im Palais Ofenheim der Zürich Kosmos Versicherung, Wien; 1985–88 Katholisch Theologische Hochschule Linz; 1981–1996 Ausbauten im Hauptgebäude der TU Wien; 1988–1992 Generalsanierung und Rekonstruktion des Museum Carnuntium in Bad Deutsch-Altenburg; 1986-1989 Veranstaltungszentrum Timelkam; 1997–2001 Generalsanierung des Wiener Konzerthauses; 1998–2001 Erweiterung und Renovierung der Pfarrkirche Seewalchen am Attersee
Erschienen in Architektur & Bau Forum 08/2012