Knapp 4.200 Hektar Boden werden jährlich in Österreich verbraucht – eine Fläche annähernd so groß wie der Attersee. Die Initiative „Österreichs 9 Betonschätze”, mit der Greenpeace die größten Bausünden kürt, soll auf die massive Bodenversiegelung und den verschwenderischen Umgang mit Boden aufmerksam machen.
Um die noch immer voranschreitende Verschwendung fruchtbaren Bodens für die Errichtung von Bauwerken endlich zu beenden, fordert Greenpeace fixe Grenzwerte. Auf dieser Forderung basiert auch der von Greenpeace ins Leben gerufene „Negativ“-Preis: „Österreichs 9 Betonschätze“, der in Form einer Statuette eines kleinen goldenen Betonmischwagens an die „Sieger“ überreicht wird. Aus über 400 eingereichten Bauprojekten wurden durch das Publikumsvoting von 20.000 Personen und die Entscheidung einer Fachjury wurden schließlich die „9 Betonschätze“ ermittelt.
Anhand der neun bereits realisierten oder in Planung befindlichen Bauvorhaben die Dringlichkeit einzugreifen und fordert Greenpeace die jeweiligen Landesregierungen auf, endlich Maßnahmen wie die Installation quantitativer Grenzwerte gegen den übermäßigen Bodenverbrauch zu setzen. Auch sollte es eine Verpflichtung geben, vor einer Bodenzerstörung das Flächenrecycling prüfen ebenso wie Flächenbedarf verpflichtend zunächst durch bereits erschlossene innerörtliche Gebiete abdecken zu müssen. Zusätzlich sollen alle Bundesländer – weil dies mittlerweile auch kompetenzrechtlich möglich ist – regional und sozial angepasste Leerstandsabgaben einführen – auch für Gewerbe- und Industrieflächen – die als wichtiges Werkzeug gilt, um Leerstand zu aktivieren und Flächenversiegelung durch Neubauten einzudämmen.
Zu den Mitgliedern der Fachjury gehörten Melanie Ebner (Bodenschutzexpertin bei Greenpeace in Österreich), Gerlind Weber (Universitätsprofessorin am Institut für Raumplanung, Umweltplanung und Bodenordnung der Universität für Bodenkultur Wien), Sabine Knierbein (Professorin am Forschungsbereich für Stadtkultur und Öffentlicher Raum, Institut für Raumplanung der TU Wien) sowie Daniel Fügenschuh (Präsident der Bundeskammer der Ziviltechniker:innen).
Melanie Ebner kritisiert die nach wie vor unverändert dramatischen Situation des Bodenverbrauchs: „Für gigantische Straßenprojekte, Fachmarktzentren und Gewerbegebiete werden Tag für Tag Österreichs fruchtbare Wiesen und Wälder zubetoniert. Gleichzeitig werden viele bereits versiegelte Flächen nicht oder nicht effizient genug genutzt, sondern weiterhin Boden verschwendet. Bei unserer Initiative ‚Österreichs 9 Betonschätze’ haben tausende Menschen aus ganz Österreich abgestimmt. Die rege Beteiligung und große Aufmerksamkeit zeigen: Es wurden lange genug wertvolle Natur- und Ackerflächen zerstört – Österreich hat die Nase voll von sinnlosem Zubetonieren und Asphaltieren.”
Die zahlreichen Einsendungen, das große Interesse und die rege Teilnahme am Publikumsvoting machen es deutlich: Die Menschen in Österreich haben genug von überdimensionierten Logistikzentren auf der grünen Wiese, dutzenden Fachmarktzentren am Ortsrand, enormen Verkehrsprojekten und fragwürdigen Luxus-Unterkünften auf besonders schützenswerten Naturflächen.
Greenpeace fordert neben fixen Grenzwerten die jeweiligen Landesregierungen auf, endlich neben quantitativen Grenzwerten gegen den übermäßigen Bodenverbrauch auch eine Verpflichtung einzuführen, vor einer Bodenzerstörung das Flächenrecycling prüfen ebenso wie Flächenbedarf verpflichtend zunächst durch bereits erschlossene innerörtliche Gebiete abdecken zu müssen. Zusätzlich sollen alle Bundesländer – weil dies mittlerweile auch kompetenzrechtlich möglich ist – regional und sozial angepasste Leerstandsabgaben einführen – ebenfalls für Gewerbe- und Industrieflächen – die als wichtiges Werkzeug gilt, um Leerstand zu aktivieren und Flächenversiegelung durch Neubauten einzudämmen.
„Wir stecken in Österreich und international tief in der Bodenkrise – Boden ist ein öffentliches Gut, das wir verstehen, respektieren und zunehmend auch behüten müssen: für ein gutes Klima, erfrischendes Wasser und aus Respekt vor anderen Lebewesen”, meint Sabine Knierbein.
Architekt Daniel Fügenschuh sieht die Initiative ‚Österreichs 9 Betonschätze‘ von Greenpeace als „eine Erinnerung an Österreich, sorgsam mit unseren Böden umzugehen. Wir müssen Verantwortung für die Zukunft tragen und daher Nachhaltigkeit in den Fokus von Bodenpolitik und Bauwirtschaft stellen. Die ausgewählten Projekte zeigen zudem deutlich: In der Entwicklung von Gewerbe- und Industriegebieten fehlt es massiv an kreativen Lösungsansätzen für eine nachhaltige und lebenswerte Zukunft. Ziviltechnikerinnen und Ziviltechniker arbeiten genau gegen diesen Trend, weil sie Verantwortung übernehmen.”
Die neun bereits realisierten oder in Planung befindlichen Bauvorhaben unterstreichen die Dringlichkeit einzugreifen.
Die neun „Gewinner“-Projekte
Die Stadtstraße in Wien, größte Bausünde der Bundeshauptstadt. Trotz intensiver Proteste und Besetzungen wird sie seit Ende 2021 im 22. Bezirk, in der Donaustadt vierspurig auf einer Gesamtlänge von 3,3 Kilometern umgesetzt. Sie durchschneidet den Grüngürtel von Hirschstetten und Breitenlee und wird in Tunneln unter Bauwerken, U-Bahn oder ÖBB-Trasse geführt.
In Niederösterreich ging der erste Platz an die Ostumfahrung Wiener Neustadt. Deren Bau soll im Herbst 2024 starten. Aber auch nach den bereits vorliegenden Genehmigungen will die Debatte rund um deren Errichtung nicht enden. Auch die Vertreter:innen der Initiative „Vernunft statt Ostumfahrung“, die sich seit Langem gegen die Umsetzung engagieren, freuen sich über den Preis.
Im Burgenland fiel die Wahl auf das Zentrallager der Firma XXXLutz in Zurndorf. Auf 40 Hektar landschwirtschaftlicher Fläche in einer ersten Baustufe errichtet, ist das Lager seit 2022 in Betrieb und wurde ein Jahr darauf bereits erstmals erweitert.
Das LKW-Verteilerzentrum LCAS-Nord landet in Kärnten auf dem ersten Platz. 20 Hektar Grünland mussten für die Errichtung dieses Bauwerks dran glauben, obwohl in nächster Nähe genügend Nutzfläche in einem Bestandsgebäude in Form eines nicht komplett ausgenutzten Logistikzentrums zur Verfügung gestanden wäre.
In der Steiermark ist die Playworld Spielberg Sieger. Direkt neben der Autobahn gelegen und mit Rollrasen bestückt ist dieses Indoor-Projekt für die Jüngsten, auch in den Augen der Jury, das reine Negativbeispiel dafür, wie Kindern der Umgang mit unserer Natur nahegebracht werden sollte. Auf 15.000 Quadratmetern Fläche errichtet, wurde außerdem eine familiengerechte Erreichbarkeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln weitestgehend vernachlässigt.
In Oberösterreich macht das Betriebsbaugebiet Ehrenfeld II in Ohlsdorf das Rennen. Zur Schaffung eines entsprechenden Bauplatzes für die Entwicklung dieses Projektes wurde nicht davor zurückgeschreckt, 18 Hektar Wald zu roden. Mittlerweile gibt es neben Kritik an diesem Spekulationsprojekt seitens der Rechnungshofs auch ein Einschreiten durch die Staatanwaltschaft.
Salzburg punktet mit dem Luxus-Resort „Six Senses Residences Kitzbühel Alps“. Der Highend Hotellerie hat sich das Projekt „Six Senses“ in Mittersill verschrieben und ruft seit Langem heftige Kritik auf den Plan – allerdings scheinbar leider ohne Erfolg, denn der Bau schreitet voran.
Tirol gewinnt das geplante Gewerbegebiet Unterbürg St. Johann. Bislang als landwirtschafltiche Vorsorgefläche gewidmet, ist das Areal nunmehr aber von dem für die Errichtung verantwortlich zeichnenden „Planungsverband Leukental“, der sich aus sieben Gemeinden zusammensetzt, als Bauplatz für das 7,5 Hektar große Betriebsbaugebiet definiert – sogar unter Zustimmung des Landes Tirol.
Die Tunnelspinne Feldkirch ist das Siegerprojekt in Vorarlberg. Dieses raumgreifende noch nicht fertig gestellte Tunnelsystem soll die Stadt Feldkirch vom Verkehr entlasten. Insgesamt vier Tunnelarme, die zwar in einen unterirdischen Kreisverkehr münden, schlagen oberirdisch eine gewaltige Schneise in die Naturraum.
Wenn Bauprojekte dieser Größenordnung weiterhin fruchtbaren landwirtschaftlich nutzbaren Boden verdrängen, wird nicht nur die bereits stark in Mitleidenschaft gezogene Ernährungssicherheit weiter wanken und wenn weiterhin in dieser Intensität wertvoller Boden zubetoniert wird, könnte für die Bundeshymne, in der Österreich bis heute als „Land der Äcker“ gelobt wird, bald die Formulierung einer angemessenen neuen Textstelle notwendig werden.