Ob mehrgeschossige Wohnbauten, Einfamilien- oder Bürohäuser, Hallen für Gewerbe oder Industrie, die Weissenseer Holz-System-Bau GmbH hat sich dem innovativen und vor allem ökologischen Bauen mit dem Werkstoff Holz verschrieben. Die „Weissenseer Compact Building-Factory“ definiert sich als „hochkompakte, effizienzoptimierte Fabrik, in der auf kleinstem Raum äußerst energieeffiziente Gebäude und Gebäudehüllen modular gefertigt werden“, wie in den Firmenbroschüren zu lesen steht. Und dabei steht der Mensch im Mittelpunkt. Dies und mehr verriet uns Geschäftsführer Christof Weissenseer in einem Gespräch.
Das Unternehmen Weissenseer wurde 1930 als Zimmereibetrieb von Christof Weissenseers Großvater gegründet. Mittlerweile besteht der Familienbetrieb in der dritten Generation. Die Lage in der Kärntner 700Einwohner Gemeinde Weissensee hat wohl über die Zeit auch die Firmenphilosophie geprägt. „Mein Vater und Großvater waren sehr gute Handwerker, damals galt Handschlagsqualität, Vertrauen und Fairness waren selbstverständlich. Der steigende Tourismus machte die Bauern zu Hoteliers, und mehr und mehr war es vorbei mit der freihändigen Kostenwahrheit – Kostenkontrolle und Sicherheiten wurden bereits im Vorfeld unumgänglich. Mit 51 beschloss mein Vater, sich aus dem Unternehmen zurück zuziehen“, erzählt Christof Weissenseer. Eigentlich wollte er nach der Matura an der HTL Villach im Bereich Hochbau an der Wiener Akademie Architektur studieren. Aber nach dem Maturaabschluss zog es ihn nach Kanada, um dort im Holzbauunternehmen seines Onkels ein paar Monate zu arbeiten. Es wurden 6 Monate und das erste Studiensemester war bereits zu Ende. Hätte sein Vater ihm nicht seinen geplanten Rückzug eröffnet, wäre er wohl dort geblieben. „In den Vereinigten Staaten hat man bereits damals 5–6-Geschosser aus Holz errichtet. Zugeschnittene Balken und Träger wurden auf die Baustelle geliefert und dort von vier bis fünf Personen mit Hammer und Nägeln aufgestellt, ganz ohne Kran. 1989 bin ich nach Hause zurückgekommen.“ Zurück in Weissensee erlernte Christof Weissenseer durch seinen Cousin, der als Tischlermeister im väterlichen Betrieb tätig war, dieses Handwerk. Als er dann mit 21 in die Fußstapfen des Vaters trat und den Betrieb mit zwei Mitarbeitern übernahm, begriff er rasch die Unerlässlichkeit der Systematisierung, meinte damals aber noch, ein Jahr später mit dem Studium starten zu können. „Mittlerweile sind 32 Jahre vergangen. Bereut habe ich die Entscheidung, im Unternehmen zu bleiben, nie, allerdings bin ich dem Beruf des Architekten nach wie vor eng verbunden. Vielleicht gelingt uns als Unternehmen ja auch deshalb die Zusammenarbeit mit dieser Berufsgruppe besonders gut. Mein großes persönliches Anliegen ist es dabei stets, nachhaltige Bauten im Bereich des leistbaren Wohnens in hoher architektonischer Qualität zu errichten.“ 1998 wurde das Unternehmen um einen weiteren Standort vergrößert und 2008 nochmals erweitert.
Plusenergie für jedermann
Mit dem Fokus auf die Errichtung energieeffizienter Bauten in Holz gilt Weissenseer durchaus als Visionär, der den Menschen, die Umwelt und die Zukunft im Auge behält. Seit über 20 Jahren sieht Christof Weissenseer nun schon seine Überzeugung darin, mit qualitativ hochwertiger Architektur Häuser zu schaffen, die unabhängig von herkömmlicher Energieversorgung funktionieren können. Sein Credo ist es, kompromisslos leistbare autarke Wohnbauten zu errichten, mit dem Ziel eines hohen Anspruchs an das architektonische Erscheinungsbild und unter Einsatz von Holz.
Klima und Umwelt erreichen wollen, haben wir gar keine andere Chance, als einander zu vertrauen und gemeinsam ein Umdenken zu schaffen.
Christof Weissenseer
„Unsere Vision sieht vor, dass jeder Erdenbewohner in einem Plusenergiehaus leben können sollte. Autarkes Wohnen fern der Städte und Ortschaften umzusetzen, wäre ein großer Schritt in die Zukunft. Im Umfeld unseres Firmensitzes hat die Zersiedlung Fuß gefasst. Zu allen noch so weit verstreuten Bauten führen Straßen, Kanal, Wasser und Stromleitungen. Wenn es uns gelingt, Häuser autonom zu gestalten, wären viele Kostenfragen gelöst“. Von der Einreichung diverser Patente hat man Abstand genommen und seine Energie lieber in die Erstellung einer Art Bauteilkatalog gesteckt. Dieser steht Architekten als Grundlage für deren Planung zur Verfügung. „Architekten können daraus jene Elemente auswählen, die etwa für die Errichtung eines Einfamilienhauses notwendig sind, in Bezug auf Wärmeschutz, Schallschutz, Brandschutz, Gewicht, Ökologie, von uns kommen alle hierzu notwendigen Details – das ist unsere Arbeitsgrundlage. Die meisten verschreckt so viel kommunikative Offenheit zuerst einmal. Wenn wir aber eine Veränderung für Klima und Umwelt erreichen wollen, haben wir gar keine andere Chance, als einander zu vertrauen und gemeinsam ein Umdenken zu schaffen“, unterstreicht Christof Weissenseer seine Überzeugung. Er möchte nicht nur von Nachhaltigkeit reden, sondern diese durch verantwortungsvolles unternehmerisches Handeln begreifbar machen. Denn nur auf diese Weise könne auch eine soziale, ökonomische und ökologische Veränderung herbeigeführt werden. Eine ökosoziale Marktwirtschaft sieht Christof Weissenseer als Grundlage der richtigen Balance zwischen einer wettbewerbsstarken Wirtschaft, sozialer Solidarität und ökologischer Nachhaltigkeit.
Visionärer Holzbau
„Mit der Entwicklung einer höchst kompakten Fabrik in der Welt der Plusenergieproduktion, bei der wir auf minimalem Raum einen maximalen Produktionsausstoß erzielen, möchten wir weltweit Menschen unser Knowhow in der Schaffung nachhaltigen Wohn- und Arbeitsraums vermitteln, sodass, wo auch immer, unsere Vision eigenständig umgesetzt werden kann“, möchte Christof Weissenseer seine globale Vision einer offenen Innovationskultur in die Welt hinaustragen. In der firmeneigenen „Denkwerkstatt“ hat man sich hierfür der Entwicklung und Forschung in Bezug auf internationale konkrete Projekte verschrieben. Die Kooperation mit renommierten Institutionen, Universitäten und Fachhochschulen ist fixer Bestandteil dieser Ausrichtung, die auf dem Grundsatz basiert, alle Materialien aus Holz oder nachwachsenden Rohstoffen herzustellen und zukünftige notwendige Sanierungsschritte insofern vorauszudenken, als einzelne Elemente wie die Struktur des Bauwerks, dessen Hülle, Haustechnik und Innenausstattung leicht trennbar und modular auszuführen sind. Neben den Herstellungskosten sind außerdem jene des Lebenszyklus zu betrachten. „Um eine Gebäudedauer von etwa 100 Jahren anzustreben, muss ein flexibles Nachnutzungskonzept von Beginn an mitgedacht werden“, so Weissenseer. „Und der einzig richtige hier optimal einsetzbare und nachwachsende Rohstoff ist nun einmal Holz. Ich engagiere mich darin, junge Leute zu animieren, etwa mit der Unterstützung von universitären Forschungsprojekten oder in der Organisation von Passivhauskursen für Studierende, wie etwa im Rahmen der Passivhaus Summerschool“.
Montage mit System
Eine Art neuer partnerschaftlicher und vertrauensvoller Handschlagsqualität prägt nicht nur die Umsetzung von Bauvorhaben, sondern auch die für die Beauftragung notwendigen Vertragsabschlüsse. Anstelle der üblichen, meist umfangstarken Vertragskonvolute sähe Christof Weissenseer die Lösung in einer Vereinfachung und inhaltlichen Straffung. „Letztlich geht es doch allen Beteiligten um eine möglichst mängelfreie Übergabe, und man könnte alles auf ein einziges Blatt Papier bringen, dort wird vermerkt, wann die mängelfreie Übergabe erfolgen soll.“
In die Planung gleich von Beginn an einbezogen zu sein, ist Christof Weissenseer besonders wichtig, so wird es möglich, Architekten gleich von Anfang an bestmöglich zu unterstützen und das Unternehmens-Knowhow einzubringen. Gearbeitet wird dabei oft in Partnerschaften, etwa mit großen Bauunternehmen, „denn Projekte einer gewissen Größenordnung kann man als Holzbaubetrieb, der ja doch klein strukturiert ist, sonst nicht stemmen. Wir Holzbauer müssen lernen, viel mehr zu kooperieren, der Markt wäre jedenfalls vorhanden“. Partnerschaften schließt Weissenseer daher in der Umsetzung innovativer konstruktiver Lösungen wie jener des Holzsystembaus und wagt sich hier mutig auf doch für ein Holzbauunternehmen durchaus neues Terrain. Die konsequente Weiterentwicklung der „Montagebaustelle“, auf der etwa vorgefertigte Nass- und Technikzellen den Bauablauf in Zukunft noch weiter rationalisieren könnten, gehört ebenso dazu wie die Entwicklung technikbestückter vorgefertigter Fassadenelemente, die bei Sanierungen eingesetzt werden können. Jedes Bauvorhaben sei ein Prototyp, die Errichtungszeit eines Bauwerks könnte sich auf Basis integrierter Planung und systematischer Vorfertigung erheblich verkürzen und Kosten reduzieren helfen. „Ein Projekt, bei dem wir etwa erstmals ein neues System eingesetzt haben, war 2019 der partizipative Wohnbau Gleis 21 beim Wiener Hauptbahnhof, der in enger Zusammenarbeit mit einszueins Architekten entstand. Das System einer Holzbetonverbunddecke – die ja der grundlegenden Logik entspricht, in der Druckzone über einem Träger Beton, in der Zugzone darunter Holz einzusetzen – kam hier zur Anwendung, und wir haben das weltweit erste Mal die HVB-Decke gleich inklusive Balkonplatten als Fertigteil versetzt. Die Außenwände wurden in Riegelbauweise errichtet, die Laubengänge aus Beton-Fertigteilen, Decken als Holz-Beton-Verbund, das Dach aus KLH-Elementen, nichttragende Zwischenwände in Trockenbau ausgeführt und alles wurde miteinander kombiniert. Das widerspiegelt unseren Ansatz, denn wir sprechen längst nicht mehr von Holzbau, sondern von der Montagebaustelle und setzen eben für den jeweiligen Zweck eine Kombination der optimalen Materialien ein. Damit eröffnet sich ein Weg, auf dem man nicht gegeneinander antritt, sondern gemeinsam arbeitet, entwickelt und umsetzt“, beschreibt Christof Weissenseer seine Intention.
Mission possible
In den ersten Wochen der Corona-Zeit hat sich Christof Weissenseer die Mühe gemacht, in einer Art Manifest jene Werte zusammenzufassen, denen sich sein Unternehmen verpflichtet sieht. Und es geht weit darüber hinaus, nur den Holzbau zu propagieren. Darin heißt es unter anderem, dass der Einsatz von Energie ohne Qualitätsverlust auf ein Minimum reduziert werden sollte, dass fossile durch erneuerbare Energieformen zu ersetzen sind, und zwar ohne Komfortverlust. „Wir haben 1998 das erste Passivhaus gebaut, Passivhaus plus Photovoltaik ergibt ein Plusenergiehaus. Jeder Bau sollte über ein eigenes Kraftwerk, gespeist von Photovoltaikpaneelen oder anderen alternativen Energieträgern, verfügen, die Strom, Heizung, Kühlung, Lüftung gewährleisten. Darin wären dann noch Mobilität und Ernährung zu integrieren. Das Ziel muss das autarke Leben sein.“
2006 hat Weissenseer gemeinsam mit der FH-Kärnten, Heraklith, Isocell und Wigo ein energieautarkes, schwimmendes Passivhaus aus Holz entwickelt, dessen Untergeschoß unter Wasser liegt und das sich mit dem Sonnenstand dreht, sodass solare Energie auch optimal genutzt werden kann – in diesem Projekt wurden gleich mehrere Forschungsprojekte zusammengeführt. Leistbares Wohnen zu garantieren, sieht Weissenseer als seine Mission, das beinhaltet auch, Architekten, Planer und Fachplaner davon zu überzeugen, dementsprechend zu planen und etwa als ersten Schritt Flächen bei gleichbleibender Nutzung möglichst zu reduzieren. „Ich kann nur etwas verändern, wenn ich es auch messen kann. Produktionskreisläufe müssen nachhaltiger und nachvollziehbar werden. Wir müssen lernen, die Vorteile des Holzbaus auszuspielen, immerhin kann man damit mehr Flächen generieren, da die Außenwände bei gleichbleibenden U-Werten schlanker sind. Ein Asset, das wir zu vermitteln lernen müssen.“
Um eine Gebäudedauer von etwa 100 Jahren anzustreben, muss ein flexibles Nachnutzungskonzept von Beginn an mitgedacht werden. Und der einzig richtige hier optimal einsetzbare und nachwachsende Rohstoff ist nun einmal Holz.
Christof Weissenseer
Der heute so inflationär eingesetzte Begriff der Nachhaltigkeit geht auf das Jahr 1713 zurück. Damals hat Hans Carl von Carlowitz, der Oberberghauptmann des sächsischen Oberbergamts in Freiberg im Erzgebirge, in seiner „Sylvicultura oeconomica“ eine „continuirlich beständige und nachhaltende Nutzung“ der Wälder, zur Vermeidung einer „große(n) Noth“ an Holz, für dringend geboten erachtet. Aus seiner nachhaltenden Nutzung wurde im Laufe der vergangenen 300 Jahre das Prinzip Nachhaltigkeit. „Das heißt, dass wir dem Wald nicht mehr Holz entnehmen können als nachwächst. Das funktioniert. Aber ich muss bereit sein, einem Bauern das geschlägerte Holz im Wald dementsprechend abzugelten.“
Auch im Bereich von Sanierungen muss neu gedacht werden. „Wir müssen intelligente Gebäudehüllen bauen. Damals im Rahmen des Schwimmhaus-Forschungsprojektes hatten wir insgesamt 16 verschiedene Wandaufbauten und unterschiedliche Dächer konzipiert, alles im Passivhausstandard. Wir haben das Haus in Echtzeit errichtet und die Daten kontinuierlich abgeglichen. Erfahrungswerte, die uns auch in Zukunft dienlich sein werden. Etwa beim Bauen an klimatisch extremen Orten, wo im Winter –40 Grad und im Sommer +40 Grad zu messen sind. Dort setzt man dann Vierscheiben-Gläser sowie 70 Zentimeter Dämmung ein und es gelingt „ohne Heizung“, autark ein Haus zu betreiben.
Es heißt Synergien zu suchen, sich zusammenzuschließen. Baukulturelle Aspekte sind Christof Weissenseer hierbei ein großes Anliegen: „Ich sehe meine Aufgabe auch darin, Architekten und Fachplaner zusammenbringen, sie davon zu überzeugen, dass wir ein Team sind, die ein gemeinsames Ziel vor Augen haben – das fertige Projekt“.
Erschienen in Architektur & Bau Forum 10-11/2020