Unter dem Tietel „Hermann Czech – Ungefähre Hauptrichtung“ ist einem der renommiertesten Architekten und einer profunden Stimme des Architekturdiskurses eine längst fällige Ausstellung im Wiener fjk3 – Raum für zeitgenössische Kunst gewidmet. Kuratiert haben die Ausstellung Claudia Cavallar, Gabriele Kaiser, Eva Kuß und Fiona Liewehr, die eine Annäherung an den Entstehungsprozess von Hermann Czechs vielseitigen Projekten versuchen.
Czechs gebautes Werk ist vielen vertraut, ohne dass es sich gestalterisch eitel in den Vordergrund zu drängen sucht. Gekennzeichnet sind die Arbeiten Hermann Czechs durch große Vielfalt und tiefes Einfühlungsvermögen in die Wünsche der Auftraggeber:innen und deren Bauaufgabe. Die Palette reicht von städtebaulichen Planungen, Privaten Wohnhäusern, Wohnungsumbauten über die Gestaltung von Cafés und Restaurants bis hin zu Ausstellungsgestaltungen und dem Design von Möbeln. Längst sind seine frühen Wiener Lokale wie das Kleine Café (1970/1973-74) oder die Wunder-Bar (1976) unverrückbarer Teil der kulturellen Substanz dieser Stadt und zeigen, wie die zeitgenössische architektonische Gestaltung von Innenräumen unprätentiös mit der bestehenden Bausubstanz verschmilzt und dabei dennoch, bei genauerem Hinsehen stets mit neuen räumlichen Lösungen überrascht.
Theorie als Denken zum Entwurf
Sein Entwurfsdenken folgt der Überzeugung, dass Planungsentscheidungen tragfähiger sind, wenn sie nicht auf formalen „Einfällen“ beruhen, sondern methodisch erarbeitet werden, sich zugleich aber auch dem Unerwarteten und Alltäglichen öffnen.
Ein Denken zum Entwurf bedeutet für Hermann Czech die Architekturtheorie.Seine pointierten kritischen Texte zu den Protagonisten der Moderne, oder über zentrale allgemeine architektonische Themen wie den Umbau oder die Bedingungen der Architekturproduktion und -rezeption sind Zeugnissse seines, zunehmend engeren, Verhältnisses des Abstrakten und Konkreten und von Theorie und Praxis.
Die Hauptrichtung kann eine nur ungefähre sein, denn – so Czech–erst im konkreten Projekt führen konstruktive und räumliche Überlegungen, sowie eine intensive Auseinandersetzung mit dem Vorhandenen und alle anderen möglichen Verästelungen des Denkens zu möglichen, überraschenden räumlichen Lösungen. Der Titel der Ausstellung steht ebenso für eine vieldeutige Architektur, die nicht verführen, sondern in der Möglichkeit des Nachvollziehens von Planungsentscheidungen und in der Raumerfahrung selbst überzeugen will.
Eben diesem „Denken zum Entwurf“ widmet sich die Ausstellung „Hermann Czech. Ungefähre Hauptrichtung“ mit einer möglichst abwechslungsreichen Projektauswahl. Anhand zum Teil noch nie zuvor gezeigter Projekte und Realisierungen aus den 1960er-Jahren bis in die Gegenwart gehen die Kurator:innen den Methoden („wie etwas entsteht“) und räumliche Wirkungen („wie etwas ausschaut“) nach.Anhand assoziativer Gegenüberstellungen von Werkbeispielen gelingt es, die Reichhaltigkeit im scheinbar Unscheinbaren zum Vorschein zu bringen und das Thema der Partizipationmit einer gedanklich fundierten Position des Manierismus zu verknüpfen.
Begleitet wird die Ausstellung durch einen hilfreichen Faltplan, in dem die im Ausstellungsraum präsentierten und im Stadtraum realisierten Projekte örtlich gut sichtbar gemacht sind, ebenso wie durch ein umfangreiches Diskursprogramm und Exkursionen, das in Zusammenarbeit mit der ÖGFA-Österreichische Gesellschaft für Architektur umgesetzt wird.
Hermann Czech (*1936 in Wien)
studierte Film an der Hochschule für Musik und darstellende Kunst in Wien und Architektur an der Technischen Hochschule Wien sowie 1963 bis 1971 an der Akademie der bildenden Künste bei Ernst A. Plischke. Er besuchte Philosophievorlesungen an der Universität Wien und nahm 1958 und 1959 an den Seminaren von Konrad Wachsmann an der Salzburger Sommerakademie teil. Erste architektonische Arbeiten entstehen ab 1960. Von 1963 bis 1967 schrieb Architekturkritiken für „Die Furche“. Es entstanden seither zahlreiche theoretische Schriften sowie Projekte und Realisierungen in allen Planungsmaßstäben. Seine frühen Schriften wurden 1978 unter dem Titel „Zur Abwechslung“ (erweiterte Neuauflage 1996) veröffentlicht. 2021 erschien „Ungefähre Hauptrichtung. Schriften und Gespräche zur Architektur“. Hermann Czech war Gastprofessor an internationalen und nationalen Hoch- schulen, z.B. an der Harvard University in Cambridge/USA, der ETH Zürich und an der TU Wien. Für sein „ungleichartiges“ architektonisches Werk erhielt er Preise und Auszeichnungen. Seit 1980 nahm er wiederholt an der Architekturbiennale in Venedig teil, zuletzt 2023 gemeinsam mit der Gruppe AKT. Hermann Czech lebt und arbeitet in Wien.
Hermann Czech Ungefähre Hauptrichtung
im fjk3 – Raum für zeitgenössische Kunst
Franz-Josefs-Kai 3 1010 Wien, Austria
Bis 9. Juni 2024